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«Wandzeitung» vom 7.3.2017:

Die russischen Staatschefs waren allesamt mutige Charakterköpfe mit gewaltiger Verantwortung:

Wladimir Putin ist ein cleverer Kopf.

Schon als Jüngling spürte ich eine Affinität zu Russland, dem weitaus grössten Land der Welt, mit einem grandiosen kulturellen und geheimnisvollen politischen Hintergrund. Dieses für uns Westler wenig fassbare, aber faszinierende 17 100 000 Quadratkilometer umfassende Land hat eine jahrhundertealte Geschichte und ist eine unermessliche Schatzkammer der Weltkultur, die den Einfluss der russländischen Föderation in der Welt zur Grossmacht verholfen hat. Die Menschen auf unserer Welt wissen und verehren die Namen der genialen Schriftsteller: Puschkin, L.N.Tolstoy, Gogol, Dostojewsky, Tschechow, Bulgakow und vieler anderer hervorragender Literaten. Mich faszinierten zudem auch die politisch führenden Personen.

Als ich 1952 geboren wurde, war Josif W. Stalin Generalsekretär der KPR–KPdSU und Staatschef, schon seit 1924 und noch bis 1953. Der erste Boss, den ich wahrnahm, war dann Nikita Chruschtschow, Staats- und Parteichef von 1953 bis 1964. Mich faszinierte seine Geschichte sehr. Er soll 1960 vor der UNO-Vollversammlung einen filmreifen Wutausbruch hingelegt haben, indem er mit seinem Schuh zornentbrannt aufs Pult schlug. Ob’s stimmt? Ich beobachtete in Gedanken über die vielen Jahre alle Staats- und Parteichefs: Breschnew, Andropow, Tschernenko, Gromyko, Gorbatschow, Jelzin. Obschon ich mich schon in jungen Jahren als Demokrat offenbarte, interessierte mich jede präsidiale russische Person aus grosser Distanz, weil jede von ihnen die riesige Nation führen konnte. Wie, das blieb mir allemal ein Rätsel. Wladimir Putin war und ist für mich besonders spannend, weil er nur 194 Stunden und 20 Minuten nach mir auf die Welt kam. Wir sind also fast Brüder aus der gleichen Zeit, aus völlig unterschiedlichem Umfeld.

Als Junge hörte ich oft von den Erwachsenen, dass von diesem riesigen Territorium eine grosse Gefahr für uns im Westen besteht. Aber ich war eher neugierig als ängstlich. In meinem Elternhaus waren Diskussionen verpönt, ich hatte die Schnauze zu halten. Doch ausser Haus entdeckte ich die Rede wie die Widerrede, die wir Jungspunde auf der Neustadtgasse nächtelang pflegten. Hierbei ging es nie ums recht haben, sondern um den demokratischen Gedankenaustausch. Als ich dann mein halbstündiges Referat zum Berufsabschluss hielt, kam ich so sehr ins Feuer – über das der schieren Grösse wegen kaum durchschaubare Land –, dass mich die Lehrerin nach einer vollen Stunde stoppte. Sie schenkte mir die Bestnote 6, weil sie von meinem enormen Fundus über die damalige Sowjetunion verblüfft war. Als sie mich einige Monate später auf der Strasse traf, fragte sie mich ängstlich: «Sind Sie ein Kommunist?» Es gelang mir immerhin, sie wortreich zu beruhigen beziehungsweise zu überzeugen.

Aktuell kann ich mich nur wiederholen: «Was wissen wir denn schon von diesem hoch geistigen und schatzreichen Land?» Und: «Wie können wir Wladimir Putin aus dieser riesigen Distanz überhaupt beurteilen?» Ich gehe einfach davon aus, dass er in diesem anspruchsvollen Amt sein Bestes gibt. Wenn wir die derzeit wieder kritischere weltpolitische Lage beobachten, dürfen wir froh sein, dass der starke Ostmann wesenlich klüger agiert, als der palavernde Westler! Putin ist clever. Trump ein Trampel. Äxgüsi.


Guido Blumer,
7.3.2017, 116. Jahrgang, Nr. 66.

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