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«Wandzeitung» vom 16.4.2017:

Gleichstellung:

Die Frauenquote ist zutiefst liberal.

Die FDP-Frauen bekräftigten dieser Tage ihr Ja zur Frauenquote. Anlass war die Wahl der neuen Präsidentin Doris Fiala. Diese lehnt die Quote ab, ebenso wie FDP-Präsidentin Petra Gössi.

Man muss dazu noch sagen, dass es diesmal um eine sehr milde Variante der Frauenquote geht. Der Bundesrat plant im Rahmen der Aktienrecchtsrevision eine Vorgabe für grosse Firmen, ihre Verwaltungsräte zu mindestens 30 Prozent mit Frauen zu besetzen, und die Geschäftsleitungen zu 20 Prozent. Wenn die Unternehmen dies nach einer Übergangsfrist von bis zu 10 Jahren immer noch nicht schaffen, werden sie nicht sanktioniert, sondern müssen im Geschäftsbericht erklären, warum in ihren Führungsgremien Männer unter sich bleiben.

Der Bundesrat spricht von Richtwert, denn das Wort Quote ist toxisch. Es klingt unliberal. Nach Bürokratie, nach Einschränkung der unternehmerischen Freiheit. Klar, dass gerade die FDP-Frauen in einem Dilemma sind. Sollen sie sich für Frauen einsetzen oder für Freiheit? Manchmal braucht es eine Bestimmung, um Freiheit erst zu gewährleisten. Die Frauenquote ist so ein Fall. Die Schweiz ist in Sachen Gleichstellung ein Entwicklungsland. Das zeigt das Beispiel des Frauenstimmrechts, das hier später als in allen anderen demokratischen Ländern eingeführt wurde. Und das zeigt heute ein Blick in die Beschäftigungsstatistik. Zwar sind die Schweizerinnen, auch die Mütter, in hohem Masse berufstätig. Doch sie sind auch Spitzenreiterinnen in Sachen Teilzeitpensen. Europaweit sind nur in den Niederlanden mehr Frauen Teilzeit angestellt als in der Schweiz. Deshalb aufgepasst, wenn die hohe Erwerbsbeteiligung der Frauen gelobt wird. Mit Pensen von 20 oder 40 Prozent gibt es weder Aufstiegschancen noch sichert frau sich damit längerfristig die eigene Existenz.

Der schweizerische Rückstand hat viele Gründe. Einer ist sicher die direkte Demokratie, wegen der manche Dinge nicht ganz so schnell realisiert werden wie andernorts. Doch die entscheidende Frage ist: Wie schafft man Gleichstellung? Erstens: mit einer Frauenquote in der Wirtschaft. Zweitens: mit einer gerechten Aufteilung der Haus- und Familienarbeit zwischen Mann und Frau. Dazu müssen die Gerichte von ihrer rückwärtsgewandten Rechtsprechung wegkommen und aufhören, die Kinder im Trennungsfall stets den Müttern zu überlassen. Väter und Mütter sollen sich die Kinderbetreuung aufteilen. Durch diese beiden Massnahmen würde der Anreiz zur partnerschaftlichen Aufteilung der Erwerbs- und der Familienarbeit stark erhöht. Die Frauen hätten beruflich bessere (Aufstiegs-) Chancen. Und es wäre klar, dass im Trennungsfall beide für sich selber und die Kinder sorgen müssten. Indirekt würde das auch zu einer Angleichung der Frauen- und Männerlöhne führen, deren Differenz sich 20 Jahre nach Einführung des Gleichstellungsgesetzes hartnäckig hält. Wenn die Erwerbstätigkeit der Frau nicht mehr nur Zusatzverdienst ist, sondern ein Pfeiler der familiären Existenzgrundlage, werden Frauen in Lohnverhandlungen selbstbewusster auftreten und mehr fordern.

Die Frauenquote ist nicht in erster Linie Zwang, sondern Befreiung. Und deshalb zutiefst liberal.

 


Claudia Blumer,
16.4.2017, 116. Jahrgang, Nr. 106.

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