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«Wandzeitung» vom 24.10.2017:

Vielleicht denken Sie sich ja jetzt, das ist wieder mal typisch für unsere heutige Jugend:

Versuchs mal mit Gemütlichkeit.

Seit ich die Schule abgeschlossen habe, bin ich fauler geworden. Ungelogen, ich bin der festen Überzeugung, dass ich noch nie so komfortabel gelebt habe wie in diesem letzten Jahr, in welchem ich „nur“ gearbeitet habe. Keine Schule, kein Lernen, keine Prüfungen. Früher, als ich noch in der Ausbildung war, wurde am Abend nach der Arbeit die Nase in Schulbücher gesteckt. Auch der Sonntag war ein regelmässiger Lerntag für mich.

Jetzt, wo ich die Ausbildung hinter mir habe, gehe ich nach einem Arbeitstag nach Hause und … und tue nichts. Nun, das stimmt nicht ganz. Ich koche hie und da. Rechnungen werden bezahlt. Im Haushalt wird mitgeholfen. Aber grundsätzlich habe ich Freizeit zur Verfügung, die ich mit sinnvollen Aktivitäten füllen könnte. Doch viel lieber schiebe ich Aufgaben und Verpflichtungen vor mich hin, vertiefe mich in die fünfte Staffel einer Fernsehserie und liege eingekuschelt in meinem Bett.

Ist das pure Faulheit? Wahrscheinlich. Ändere ich etwas daran? Wahrscheinlich nicht. Für gewisse Dinge fehlt mir einfach die Motivation. Ich müsste mein Zimmer aufräumen, aber stattdessen liege ich viel lieber herum und verliere mich in Tagträumen. Eigentlich wollte ich einige Kochbücher nach neuen Rezepten durchforsten, doch viel lieber treffe ich mich mit Freunden. Aber nebst den klassischen Szenarien, wo ich Arbeit oder Aufwand vermeide, gibt es auch Situationen, in denen mich meine Energielosigkeit daran hindert, Dinge zu tun, die ich eigentlich mag.

Das typischste Beispiel dafür ist das Lesen. Ich will Ihnen gar nicht die Anzahl von Büchern verraten, die ich mir voller Freude gekauft habe, welche jetzt aber zurückgelassen auf meinem Pult liegen und nur darauf warten, endlich gelesen zu werden. Ich liebe es zu lesen, doch ich bin oft zu müde, um mich nach der Arbeit auf seitenweise Text einzulassen.

Viel gemütlicher ist es dann, an einem Kaffee zu nippen und Radio zu hören, oder den Fernseher einzuschalten und gedankenlos zuzuschauen. Und das, obwohl ich mir eigentlich sicher bin, dass mich die gekauften Bücher genauso unterhalten würden, wenn nicht noch mehr. Vielleicht denken Sie sich ja jetzt, das ist wieder mal typisch für unsere heutige Jugend. Und vielleicht liegen Sie da gar nicht so daneben.

Vielleicht, oder sogar sehr wahrscheinlich, sind wir tatsächlich gemütlicher geworden. Vieles wurde uns erleichtert über die letzten Jahre, nicht zuletzt dank der stetig fortschreitenden Technologie. Informationsbeschaffung war noch nie so simpel. An Unterhaltungsmedien gelangt man so einfach wie nie zu vor – Musik, Filme, Hörspiele – alles ist da, nur einen Knopfdruck entfernt.

Ich nehme mir regelmässig vor, mich zu verbessern. Meine Zeit in etwas zu stecken, das mein Hirn auf irgendeine Art und Weise fordert. Zeitweise funktioniert es sogar. Ich habe tatsächlich ein Buch in die Hand genommen und, halten Sie sich fest, darin gelesen! Daher versuche ich jetzt einfach, mich an diesen kleinen Erfolgen zu erfreuen und das Ganze nicht so ernst zu sehen.

Es werden wieder andere Zeiten kommen, in denen ich dieses Ausmass an Freizeit vermissen werde.


Nicole Langhart,
24.10.2017, 116. Jahrgang, Nr. 297.

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