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«Wandzeitung» vom 20.1.2017:

Bis heute wurde keine Burkaträgerin der 3. Ausländergeneration gefunden:

Unser Land ist durch Integration stark.

Als ich kürzlich das erste Burka-Plakat der SVP sah, habe ich zuerst gar nicht verstanden, worum es geht. Bis ich merkte, dass hier doch tatsächlich mit einer Burka als Symbol Kampagne gegen die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation Ausländer gemacht wird. Tags darauf fragte mich eine syrische Freundin, die seit kurzem in der Schweiz lebt und sehr interessiert an allem ist, warum hier Plakate mit Burkas hängen würden. Ich merkte, dass sich das fast nicht erklären lässt, derart absurd und am eigentlichen Inhalt vorbei ist diese Kampagne. Damals bei der Ausschaffungsinitiative sagte die SVP, die Leute müssten sich halt einbürgern lassen. Und jetzt, wo es um erleichterte Bedingungen für die dritte Generation geht, sind sie gegen «Masseneinbürgerungen», wie sie es nennen. Dabei werden Fakten ausgeblendet.

Eine erleichterte Einbürgerung bedeutet nicht, dass die Menschen die Bedingungen nicht genauso erfüllen müssen, wie bei einer normalen Einbürgerung. Es bedeutet nur, dass die Bürokratie und die Kosten kleiner werden und das Verfahren schneller geht. Auch diese Personen müssen integriert sein, die Sprache in Wort und Schrift beherrschen und ihren Lebensunterhalt selber verdienen. Sie dürfen maximal 25 Jahre alt sein, hier zur Schule gegangen und eine Niederlassungsbewilligung haben. Ein Elternteil muss schon zehn Jahre hier gelebt haben und davon fünf Jahre zur Schule gegangen sein. Ein Grosselternteil muss auch schon ein Aufenthaltsrecht gehabt haben. Wir reden also von etwa 25 000 Kindern und Jugendlichen, die hier zur Schule gehen, im Turnverein, Fussballclub und der Pfadi sind, deren Eltern hier zur Schule gingen und arbeiten. Von Menschen wie mir – ich hatte eine italienische Grossmutter. Für diese Vorlage käme ich aus Altersgründen aber nicht mehr in Frage.

Die meisten der betroffenen Kinder und Jugendlichen haben heute die italienische Staatsangehörigkeit, gefolgt von Portugal. Ein Vorteil der erleichterten Einbürgerung ist, dass die langen Fristen in den Gemeinden nicht jedes Mal von vorne beginnen, wenn man zum Beispiel in die Nachbarsgemeinde zieht. Wenn möglichst viele dieser Kinder und Jugendlichen, die hier zuhause sind und hier leben, auch mitbestimmen dürfen und sich noch mehr als Teil der Gesellschaft fühlen können, dann ist das ein Gewinn für alle. Die Gesellschaft als Ganzes profitiert, wenn sie gestärkt wird statt vollwertige Mitglieder ausgrenzt, weil deren Grosseltern irgendwann um den zweiten Weltkrieg herum einmal in die Schweiz eingewandert sind und nicht schon zu Zeiten des Rütlischwures hier lebten.

In meiner täglichen Arbeit mit Flüchtlingen, die ich rein privat leiste, sehe ich, wie viele Menschen bereit sind, zu helfen und sich zu engagieren. Ich treffe auf eine Zivilgesellschaft, die funktioniert und Solidarität statt Ausgrenzung lebt. Auf Menschen, die den Mensch und das Wohl der Gesellschaft sehen und sich nicht von dubiosen Angstkampagnen das Leben in unserem sicheren und schönen Land vermiesen lassen. Tatsächlich wurde bis heute noch keine Burkaträgerin der 3. Ausländergeneration gefunden. Gäbe es sie – die SVP und die «Weltwoche» hätten sie uns längst präsentiert. Vergessen wir nie, was unser Land so einzigartig und stark macht – es ist die Integration von ganz vielen Minderheiten.


Chantal Galladé,
20.1.2017, 116. Jahrgang, Nr. 20.

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