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«Wandzeitung» vom 8.1.2018:

viel selbstherrlichkeit, viel unheil:

2018.

vor hundert jahren ist der weltkrieg 1914-18 zu ende gegangen. vermeintlich. zu feiern gibt es nichts bei diesem jubiläum. das jahr 1918 steht für eine katastrophale entscheidung der siegermächte. sie diktierten dem unterlegenen deutschen volk einen «friedensvertrag», der geprägt war von rache, bestrafung einer ganzen nation und auferlegung von immensen reparationszahlungen. dieser krieg hatte mit einer beispiellosen begeisterung auf beiden seiten begonnen und war in ein jahrelanges gemetzel gemündet (über neun millionen gefallene). die historiker streiten sich immer noch darüber, wer ihn vom zaun gerissen und zu verantworten habe. am ende, nachdem die vereinigten staaten eingegriffen hatten, unterlagen die deutschen und ihre verbündeten der übermacht der entente.

ein wesentlicher grund für den krieg war wohl die dummheit und überheblichkeit des deutschen kaisers wilhelm des zweiten gewesen. er hatte den architekten eines ausgewogenen bündnissystems, otto von bismarck, entlassen und die außenpolitik selber in die hand genommen, und er stieß in der folge mit seinen ungeschickten machtanspüchen die nachbarstaaten zunehmend vor den kopf. für seine selbstherrlichkeit wurde dann sein volk von selbstherrlichen siegern gedemütigt. in der folge verhalf die wachsende nationale wut zum aufstieg der nazipartei und führte konsequenterweise zum zweiten weltkrieg. wir sprechen daher besser nicht vom ersten und zweiten, sondern vom großen dreißigjährigen krieg.

selbstherrlichkeit zeigt sich auch darin, wie unser staat mit straftätern umgeht. die haftstrafen hätten eigentlich drei ziele: sie sollten die verurteilten für ihre tat sühne leisten lassen; sie sollten sie befähigen, sich in der gesellschaft zu integrieren; und sie sollten die gesellschaft schützen vor gemeingefährlichen tätern. (das dritte dürfte eher selten sein. aus den letzten sechzig jahren sind mir fünf fälle in erinnerung.) welches ist nun der zusammenhang mit dem großen krieg des zwanzigsten jahrhunderts: wollen wir, dass überführte straftäter möglichst tief gedrückt und möglichst hart bestraft werden? soll dadurch die welt besser werden? (in den usa sind rund 0.7% der menschen inhaftiert, zehn mal mehr als bei uns, und die kriminalität wird dadurch nicht eingedämmt, sondern ist ungleich höher.)

die bestrafung der deutschen für den kriegsausbruch von 1914 war für die welt eine ungeheure katastrophe. die bestrafung durch haft halte ich in vielen fällen für eine sache, die mindestens zu hinterfragen wäre. wie viel eher sollten wir in unserem kleinen umfeld – und nur dort haben wir als einzelne einfluss – selbstherrlichkeiten vermeiden und von strafen möglichst absehen. strafen wollen schmerz zufügen und demütigen und zielen darauf ab, beim bestraften ein verhalten zu ändern. in den allermeisten fällen dürfte es genügen, ein fehlverhalten zu benennen und deutlich zu machen. wenn alle guten willens sind, geht es ohne strafen. und den guten willen schaffen die strafen nicht.


Alfred Vogel,
8.1.2018, 117. Jahrgang, Nr. 8.

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