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«Wandzeitung» vom 28.5.2018:

Die Kultur muss sich ändern,

nicht die Frauen.

2001, ich stand kurz vor dem Beginn meiner Ausbildung zur Pflegefachfrau, erstritten sich die Pflegefachleute im Kanton Zürich vor Gericht höhere Löhne. Das Verwaltungsgericht befand nach langen Auseinandersetzungen, dass die bisherigen Löhne der Pflegefachpersonen zu tief gewesen seien. Es stufte sie als diskriminierend ein, da die Pflege als Frauenberuf im Vergleich zu anderen Berufen mit ähnlichen Aufgaben schlechter gestellt sei.

Es ist nicht so, dass die Spitäler seither ein Ort der gelebten Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau wären. Die starke Hierarchie und die fixen Machstrukturen sind an vielen Orten weiterhin Bestandteil der Unternehmenskultur.

Gerade im Gesundheitswesen gibt es weiterhin stark diskriminierende Strukturen. Denn obwohl inzwischen mehr Frauen ein Medizinstudium abschliessen als Männer und obwohl die Pflege seit jeher eine Frauendomäne ist, sind in den obersten Führungsgremien von Institutionen des Gesundheitswesens weiterhin vorwiegend Männer. Moderne Arbeitsstrukturen, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern würden und Ansätze, welche das ausgeprägte Hierarchiedenken durchbrechen würden, haben es schwer. Ein unschönes Beispiel ist das einer Oberärztin, welche über zehn Jahre im Inselspital Bern als Anästhesistin arbeitete. Sie musste am eigenen Leibe erfahren, was dieses Hierarchiedenken für Auswirkungen auf einzelne Personen haben kann. Nachdem sie sich über mehrere Jahre für bessere Arbeitsbedingungen von Ärztinnen eingesetzt hatte, erhielt sie 2014 die Kündigung. Die Inselspitalgruppe begründete die Entlassung damit, dass das Vertrauensverhältnis zerrüttet sei. Die betroffene Ärztin liess dies nicht auf sich sitzen und klagte gegen diese diskriminierende Praxis. Im November 2017 erhielt sie vor einem Berner Regionalgericht Recht.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Begründungen des Spitals nur vorgeschoben waren und die Frau schlicht zu unbequem wurde, weil sie die unzeitgemässen, ungerechten und teilweise schlicht gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen anprangerte. Der persönliche Preis, den diese Ärztin zahlen musste, aber ist hoch. Sie hat nicht nur ihre Stelle verloren, auch ihr akademische Karriere ist vorbei. Weil sie keine Stelle mehr fand, musste sie einen zweiten Facharzttitel machen und verdient inzwischen sehr viel weniger als vorher. Solche Geschichten zeigen, dass wir eine echte Gleichberechtigung von Männern und Frauen noch lange nicht erreicht haben. Gleichberechtigung erreichen wir nur, wenn sich in der Kultur und in der Haltung der Führungspersonen, der Institutionen und der Politik etwas ändert.

Es braucht weibliche und männliche Vorbilder, die vorleben, dass unterschiedliche Führungsstile zum Erfolg führen können. Und es braucht Strukturen, in denen sich die Karriere dem Lebensentwurf anpasst und nicht umgekehrt. Solche Strukturveränderungen würden nicht nur den Frauen dienen. Sie kämen auch allen Männern zu Gute, die sich in der Familienarbeit stärker engagieren wollen, die Freiwilligenarbeit leisten oder die schlichtweg keine Lust mehr auf die aktuelle Ellenbogenkultur haben.


Maria Sorgo,
28.5.2018, 117. Jahrgang, Nr. 148.

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