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«Wandzeitung» vom 12.11.2014:

Der Lebens-Herbst:

Das Alter in Würde?

Es ist Herbst geworden. Die Blätter fallen zu Boden. Eine schöne Jahreszeit, um auf ausgedehnten Spaziergängen wieder einmal seinen Gedanken die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln. Die einen von ihnen zu Ende führen, die anderen weiter als Fragen mitnehmen oder auch stehen zu lassen.

Je älter ich werde, desto mehr Gedanken mache ich mir auf diesen Ausflügen über den Lauf der Dinge, stehe ich doch mittlerweile auch schon im Herbst meines Lebens. Bald wird meine Generation an der Reihe sein, diese – trotz allem – schöne Welt als nächste verlassen zu müssen. Angst vor diesem Schritt habe ich keine. Da halte ich es mit dem griechischen Philosophen Epikur, der schrieb: «Das schauerlichste Übel, der Tod, geht uns nichts an, weil, solange wir sind, der Tod nicht da ist; ist er aber da, so sind wir nicht mehr.» Mehr Sorge bereitet mir die Frage, ob ich im Alter noch selbständig werde handeln und entscheiden können.

Verstärkt wird die Auseinandersetzung mit diesen Fragen durch meine als Bezirksrat jeweils im Herbst vorgenommenen Visitationen in den Alters- und Pflegeheimen unseres Bezirks. Da das Eintrittsalter in diese Heime in der Vergangenheit ständig gestiegen ist, beträgt es heute durchschnittlich über 80 Jahre. Da ist es klar, dass die Anzahl der Pflegebedürftigen sehr hoch ist. Beeindruckend finde ich jedes Mal die Geduld und die Hilfsbereitschaft des Pflegepersonals, das den alten Menschen auf ihrem letzten Stück Lebensweg meistens viel näher ist als die Familienmitglieder. Die Bilder von den alten Menschen, still in ihren Rollstühlen sitzend, begleiten und beschäftigen mich. Sie fordern mich zu einer Auseinandersetzung mit einem Teil unseres Lebens heraus, den ich genauso wie viele andere verdränge. Bleibt man denn nicht immer länger jünger heutzutage? Die heutigen Rentnerinnen und Rentner sind doch noch rüstig. Reisen, wandern, konsumieren. Sie sind gefragt und umworben mit ihrer Kaufkraft, ihrem Konsumpotential. Doch was passiert, wenn sie diese Rolle nicht mehr spielen können, ihre Kräfte es nicht mehr zulassen? Der Weg vom gefragten Konsumenten zum Unkostenfaktor ist manchmal sehr kurz. Und dann beginnt das gnadenlose und unwürdige Ausrechnen, was denn so ein alter Mensch die Gesellschaft kostet. Im Jahr, im Monat, in der Woche, am Tag, in der Stunde, pro Minute! Immer lauter und respektloser wird darüber nachgedacht, ob sich der aktive Teil der Bevölkerung dieses Pflegen, dieses Betreuen der alten Menschen überhaupt noch leisten kann oder will oder muss!

In der Konsequenz der heutigen, nur auf ökonomische Zahlenwerte ausgerichteten Diskussion über die Aufgaben und Ziele unserer Gesellschaft, werden in den nächsten Jahren wohl Vorschläge auftauchen, an die wir noch gar nicht zu denken wagen. Warum sollten sich Experten, die sich heute schon beim Werden des Lebens als Schöpfer aufspielen in Zukunft nicht auch für sich in Anspruch nehmen, zu bestimmen, wann ein Menschenleben zu enden hat?


Ludi Fuchs,
12.11.2014, 113. Jahrgang, Nr. 160.

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Standpunkte:

15.11.2014, 11:32 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Das ist ein tierschürfender, durchdachter Artikel. Die Ethik und Ökonomie sind wichtig. Die Angehörigen von alten Menschen sind gefordert ihre soziale Pflicht zu erfüllen und eine Pflegeversicherung ist nicht zu umgehen. Die Leitlinie ist das Markus Evangelium und nicht Experten.


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