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«Wandzeitung» vom 21.7.2014:

Geht Ihnen die Selbstbeweihräucherung der Politiker auch auf die Nerven?

Politpropagandaflutopfer.

Herrschaftspropaganda hat eine lange Tradition: Von den Bemühungen der Herrscher um Präsenz im gesamten Reich zeugen die Kolossalstatuen der Pharaonen ebenso wie die Münzprägungen der Cäsaren; die Könige und Kaiser hielten sich ihre Hofmaler, wie z. B. Napoleon Jacques-Louis David, ebenso wie die Diktatoren ihre Leibfotografen, wie z. B. Hitler Heinrich Hoffmann. Aber wohl noch nie wurde der «kleine Mann» derart mit Bildern politischer Propaganda überflutet wie heute.

Ganz gleich, ob man nun eine Illustrierte aufschlägt, in einer Zeitung blättert oder den Fernseher einschaltet, es gibt kein Entrinnen vor den allgegenwärtigen, von Visagisten gestylten Gesichtern lächelnder Politiker bei ihren Sonntagsaktionen, wie sie hundertjährige Jubilare besuchen, Brücken einweihen, Kränze niederlegen oder Ausstellungen eröffnen, von Event zu Event chauffiert oder gar mit dem Helikopter oder dem Dienstflugzeug, inklusive Präsidentensuite mit Schlafzimmer, Dusche und Videoraum, geflogen. Auch in den politischen Sommerpausen bleibt man nicht verschont von den Berichten über die bisweilen mit ihren Dienstautos in diverse Urlaubsorte beförderten, erholungsbedürftigen Politiker.

Informationen, Argumente, Programme sind der Desinformation, der Bilderflut, dem Entertainment gewichen, und der Bürger geniesst nur den Anschein der Einblicke in eine Welt, zu der er in Wirklichkeit keinen Zutritt hat. Perfekt gelingt es den Mächtigen, Bilder von sich selbst zu vermitteln, die den Erwartungen entsprechen, die ihre Untertanen von ihnen haben.

Leiteten die Herrschenden und Privilegierten früher ihre Herrschaft von ihrer Gottnähe her, so betonen sie mittlerweile in den demokratischen Systemen, wie gleich sie den anderen seien: Seht her, ich bin einer von euch, von einfacher Herkunft, ein Familienmensch, eine Vaterfigur, ein Freund der Haustiere, ein Besucher der Disco, ein sportlicher Besteiger der Gipfel! Selbst Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck jubeln beim Siegestor der deutschen Fussballnationalmannschaft im Finale gegen Argentinien fast wie normale Menschen, und auch Präsident Obama, der Friedensnobelpreisträger par excellence, wirkt auf den Fotos, auf denen er live die Informationen seines CIA-Chefs über die von ihm befohlene Kommandoaktion gegen Bin Laden auf dem Bildschirm verfolgt, wie der harmlose Nachbar von nebenan. Über Regierende, die einen Spaten nur zum Fotografieren des Spatenstichs in die Hand nehmen und sich bei Hochwasserkatastrophen eigens in Gummistiefeln in den betroffenen Orten ablichten lassen, sei ohnehin der Mantel des Schweigens gebreitet. So reiht sich die Politpropaganda würdig in die restliche Präsentation von Scheinereignissen und -erlebnissen, von Songcontests, Dancingstarauftritten und Dschungelcampberichten, und es wird das inszeniert, was heutzutage das Wichtigste ist: der Schein.

 


Herbert Danzer,
21.7.2014, 113. Jahrgang, Nr. 46.

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Standpunkte:

30.7.2014, 20:01 Uhr.

Ruth Huber schrieb:

Einspruch: Der Artikel von Herbert Danzer hat mir ausgesprochen gefallen.


22.7.2014, 07:21 Uhr.

Matthias Erzinger schrieb:

Was auch immer und wie auch immer «Politiker» machen – und natürlich nur die männlichen wie Angela Merkel – es ist falsch. Sie sind böse, die die armen Kleinen ausnützen, und – oje «den kleinen und natürlich guten Mann» manipulieren. Die Generalschelte an «die Politiker ist verfehlt», ich mag das generalsierte Schlechtmachen «der Politik» nicht. Seit dreissig Jahren macht Herr Blocher vor, wie man «die Politik» kaputt redet und diffamiert. Der Beitrag hier bringt keinen neuen Aspekt, sondern wiederholt die immer gleichen diffusen Vorwürfe. Er inszeniert, was heute das Wichtigste zu sein scheint: Ein Schein des «guten kleinen Mannes» der durch die böse Politik leiden muss. Diese Opferhaltung stimmt nicht.


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