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«Wandzeitung» vom 31.7.2014:

Erinnerungen an den Stadt-Geburtstag:

Kirche – mitten in der Stadt
(und keiner berichtet davon).

Morgen begeht die Schweiz ihren Geburtstag, den 723. Am Sankt-Albanstag, dem 22. Juni, hat Winterthur den Geburtstag als Stadt gefeiert, den 750.

Der offizielle Jubiläumsanlass unserer Stadt hat an einem schönen, sommerlichen Sonntag stattgefunden. Der Festakt am Nachmittag auf dem Bahnhofsvorplatz hat die historische Szene der Übergabe der habsburgischen Stadtrechtsurkunde durch den echten österreichischen Botschafter an den echten Winterthurer Stadtpräsidenten aufleben und in einem Klangteppich die vergangenen 750 Jahre Revue passieren lassen. Etwa fünftausend Leute haben dieser Zeremonie beigewohnt.

Am Morgen davor hat sich auf dem Neumarkt der wohl grösste ökumenische Freiluftgottesdienst ereignet, den Winterthur je erlebt hat. Weit über zweitausend Personen haben in der Mitte der Stadt festlich gedankt, gelobt, gebetet. Christinnen und Christen aller Denominationen – von den Volkskirchen bis zu den Freikirchen – haben sich zu dieser Feierstunde friedlich und in froher Stimmung versammelt. Der Stadtpräsident hat launig die Festgemeinde und den Gut-Wettermacher Petrus gegrüsst. Kinder haben zum Ausdruck gebracht, was ihnen an diesem Ort Freude macht, und farbige Ballons in den offenen Himmel über Winterthur steigen lassen. Das Gotteslob ist vielstimmig mit Hilfe von Gospelchor und Chile-Hegi-Band samt Original-Appenzeller Juuchzer erklungen. Drei Prediger haben biblische Worte gedeutet, die von dem, was unser Zusammensein stärkt, handelten. Im Fürbittgebet ist die Sprachenvielfalt unserer multikulturellen Gemeinschaft zur Geltung gekommen. Die Heilsarmee-Blasmusik hat die feiernde Menge anschliessend zur Steinberggasse geleitet, wo das Albanimahl, bestehend aus Käse, Brot und Wein oder Traubensaft, von vielen freiwilligen Helfenden bereitet worden ist. Niemand hat die Teilnehmenden exakt gezählt; aber die 1650 Becher haben jedenfalls nicht gereicht.

Warum erzähle ich das so ausführlich nach rund vierzig Tagen? Weil hier die erste öffentliche Gelegenheit ist, von diesem besonderen Gottesdienst zu berichten. Die Medien haben ihn komplett totgeschwiegen. Kein Wort darüber in der Lokalpresse, weder in der Tages- noch in den Wochenzeitungen, auch nicht im Regionalradio. Das örtliche Fernsehen hat keine Aufnahmen davon gebracht. Nur der Stadtpräsident hat im TV-Top-Interview den Gottesdienst von sich aus positiv erwähnt. Immer wieder wird in den Medien das Bild von den «sich leerenden Kirchen» publik gemacht – fast wie ein Mantra. Am Gegenteil scheint journalistisch niemand interessiert zu sein.

Im «Wort zum Sonntag» am Vorabend vom Jubiläumssonntag, in dem ich ein Loblied auf die Lebensform Stadt gesungen habe, schaue ich am Schluss vom Bäumli über Winterthur und stelle fest, dass in der Mitte der Stadt und der meisten Stadtquartiere Kirchen stehen. Dazu kommentiere ich: «Sie unterbrechen das geschäftige Treiben durch einen Freiraum, der eine andere Dimension ins Spiel bringt, so dass sich mitten drin Himmel und Erde ein wenig berühren.» Das ist am 22. Juni auf dem Neumarkt geschehen.


Hugo Gehring,
31.7.2014, 113. Jahrgang, Nr. 56.

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