Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 4.2.2015:

Gespräch und Spaziergang zu unserer Stadt:

Wochenendgedanken.

Samstagmorgen in einem Kaffee in der Altstadt. Wir treffen uns wie gewöhnlich zum wöchentlichen Austausch. «Wie hast du es eigentlich mit diesem Werk1? Sind ja eigentlich alle dafür und es scheint ein sorgfältig erarbeiteter Kompromiss zu sein.» – «Ja, aber jetzt habe ich mir die Pro- und Kontra-Argumente angeschaut und bin mir gar nicht mehr sicher... Es ist ein bisschen wie damals, Anfang der 90er-Jahre, bei der Diskussion um den Swisscom Tower, der heute der AXA gehört...» Damals sassen wir beide im Grossen Gemeinderat und waren ganz nah involviert. Heute sind wir Betrachterinnen, um die Tagespolitik kümmert sich meine Tochter. Unser Gespräch entwickelt sich weiter, wir streifen dies und das. Was mir aber bleibt, ist die Fragestellung, wie wir mit Verdichtung umgehen. Vor ein paar Monaten gab mir ein Bekannter eine Arbeit zur Gartenstadt Winterthur in die Hand mit der Bemerkung, die Lektüre sei lohnenswert.

Detailgetreu und liebevoll wird die Gartenstadt Winterthur porträtiert, die Vorgartenkultur, die Freiräume, die zum Verweilen einladen und Raum bieten für soziale Kontakte. Viele dieser Vor- und Hintergärten sind heute verschwunden, wurden durch Parkplätze oder Neubauten verdrängt. Neubauten sind häufig Arealüberbauungen, damit bis zum Strassenrand gebaut werden kann, kein Quadratmeter Grundfläche verloren geht. Wir brauchen Platz für die vielen Menschen, die hier leben möchten. Das kann ich gut oder schlecht finden, diese Entwicklung findet statt. Trotzdem bleibt mir ein «Grumbeln». Bedeutet diese Verdichtung tatsächlich, dass auf Nischen, Gärten, Kleinräumiges allgemein grundsätzlich verzichtet werden muss? Wo bleibt die Lebensqualität, wenn sich die Menschen aus dem öffentlichen Raum verdrängt fühlen, wählen können zwischen Strassenschluchten, leeren Plätzen oder der eigenen Wohnung, die darum immer grösser werden muss? Die Gefahr des Rückzuges ins Private, der persönlichen Vereinsamung, der gesellschaftlichen Leere erscheint mir gross. Und ich frage mich, inwieweit unsere städtepolitisch hässliche Maximalausnützungshaltung so auch zur Seelenlosigkeit unserer Stadt beiträgt. Ich nehme diese Fragen mit ins Wochenende.

Wir schlendern zu zweit durch das Sulzerareal. Vielleicht geben ja der Superblock oder die angrenzenden Neubauten im Hinblick auf das geplante Werk 1 eine Antwort. Bald schon stehen wir in der Häuserschlucht. Gross ist die AXA angeschrieben. Und die Stadtverwaltung? Weiter hinten, leicht zurückversetzt, etwas verschämt in kleinen Buchstaben finden wir die gesuchten Tafeln über einem in sich abgeschottet wirkenden Eingangsbereich. Der Block ist tatsächlich ein Block. Wuchtig, mächtig, abweisend. Ich empfinde tiefe Zufriedenheit, dass ich damals diesem seelenlosen Projekt nicht zugestimmt habe.

Jetzt kommt mir Mani Matter in den Sinn: «Är isch vom Amt ufbotte gsy am Frytig vor dä Nüüne bi Straf im Unterlassigsfall im Houptgeboid Block zwo im Büro hundertsächsevierzg persönlich go z`erschyne und isch zum Houptportal am halbi nüüni ynecho.» – Und das war in den 60er-Jahren des letzten Jahrtausends!


Marlies Bänziger,
4.2.2015, 114. Jahrgang, Nr. 35.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.