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«Wandzeitung» vom 11.2.2015:

Griechenlands historische Chance:

Möge es gelingen!

Kürzlich beschrieb der Chefökonom von SYRIZA, John Milos, das griechische Wirtschaftssystem nach wie vor als eine «Oligarchie», deren Ausmasse «mit europäischen Standards nicht vergleichbar» seien. Die Zahlen geben Milos recht. Nach wie vor besitzen die reichsten 2000 griechischen Familien über 80 Prozent der Vermögenswerte des Landes. Während der Rest der Bevölkerung unter den Diktaten der Troika leidet, konnten sie ihren Besitzstand und Einfluss allen Krisenerscheinungen zum Trotz behaupten und teilweise sogar noch ausbauen. Geht die Party für Griechenlands Reiche nun bald zu Ende? Mit welchen Mitteln diese Privilegien bisher im Zweifelsfall verteidigt wurden, verdeutlicht ein Blick auf den Militärputsch, der das Land von nunmehr fast einem halben Jahrhundert für immerhin sieben Jahre einem brutalen Folterregime auslieferte.

Dabei standen weder die staatliche Ordnung noch der kapitalistische Charakter der Wirtschaftsstrukturen zur Disposition, als 1967 eine kleine Verschwörergruppe um Oberst Papadopoulos die Macht an sich riss. Allein die Ankündigung einer «vorsichtigen Reformpolitik in Richtung einer Liberalisierung und sozialen Wirtschaftspolitik» durch die sozialliberale Zentrumsunion reichte, um die Eliten in Hysterie zu versetzen. Bis dahin hatte nach dem Sieg über die Kommunisten im Bürgerkrieg der Parakratos – der Schattenstaat aus Königshaus, rechtsextremen Militärs und einigen wenigen Wirtschaftsbossen um die Reeder – das Land relativ unbehelligt von jeglicher Opposition beherrschen können. Nun aber schrillten die Alarmglocken.

Und man war vorbereitet in Athen. Schon seit Beginn der 1950er- Jahre arbeiteten Militärs an ständig aktualisierten Putschplänen für den Fall der Fälle. Die «Rettung des griechischen Staates und seiner Identität» ging dann auch entsprechend vorbereitet über die Bühne. 8000 Oppositionelle wurden verhaftet. Die meisten verschwanden für Jahre in den Folterkellern des Militärs oder auf abgelegene Gefängnisinseln.

Immerhin sieben Jahre konnten sich die Obristen unter Ausschaltung aller Grundrechte an der Macht halten. Nicht zuletzt «dank» der Unterstützung ihrer NATO-Verbündeten und internationaler Anerkennung konnten sie sich ihrer Macht sicher fühlen. Erst das Aufbranden neuer sozialer Konflikte in Griechenland im November 1973 sowie interne Machtkämpfe, in deren Zuge Papadopoulos im Winter desselben Jahres abgesetzt wurde, und vor allem der Konflikt mit dem NATO-Partner Türkei nach dem lancierten Putsch auf Zypern liessen die Junta fast alle ihre bisherigen Unterstützer verlieren. So verschwand sie schliesslich im Juli 1974 ebenso schnell, wie sie einst gekommen war.

Die Oligarchie und ihre exekutiven Sachwalter auf den diversen Ebenen des griechischen Staates aber behielten ihre Priviliegien; dazu gehörten etwa die Steuerfreiheit für Reeder, die Duldung der Korruption oder die üppigen Militärbudgets. Keine Regierung seit 1974 hat die Privilegien der Reichen angerührt, den Konflikt mit der Oligarchie riskiert.

Das griechische Volk hat Ende Januar 2015 Tsipras und seinem Team das Vertrauen ausgesprochen, dies endlich zu ändern! Möge es gelingen!

 

 


Ludi Fuchs,
11.2.2015, 114. Jahrgang, Nr. 42.

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