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«Wandzeitung» vom 11.12.2015:

Über das Abschneiden der Rechtsradikalen in Frankreich:

Die wohl letzte europäische Warnung.

Es ist ein politisches Erdbeben, daran gibt es keinen Zweifel. Und doch ist der Durchmarsch der Rechtsradikalen in der ersten Runde der französischen Regionalwahlen keine Überraschung. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass der Versuch, mit der von Umfrageerregung angetriebenen Übernahme rechter Positionen den Rechten das Wasser abzugraben, scheitern muss: Die Wähler kreuzen lieber das Original an.

Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Fortsetzung einer Politik des autoritären Neoliberalismus, die nicht die sozialen und ökonomischen Ursachen von Armut, Ausgrenzung, Spaltung und demokratischem Rückzug angeht, die Fundamente «bürgerlicher Politik» selbst untergräbt: Die niedrige Wahlbeteiligung in Frankreich bezeugt, wie wenig Menschen noch eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen vom parlamentarischen Status quo erwarten.

Zudem lässt sich gerade in Frankreich gut zeigen, dass das elektorale Abkippen nach rechts mit der behaupteten »Bedrohung« durch Flüchtlinge in Wahrheit wenig zu tun hat: In Frankreich gibt es kaum Asylsuchende, wohl aber starke soziale Probleme, die mit dem Versagen der Integration zu tun haben. Für Europa ist das ein Fanal – und eine warnende Botschaft: Den Neonazis und Rechtspopulisten, den Profiteuren der Angst, den Kulturkämpfern und Hasspredigern gräbt man nicht das Wasser dadurch ab, dass man ihr Geschäft mitbesorgt – und sei es mit der besorgten Miene, man könne doch nicht anders angesichts des «Volkswillens».

Richtig ist vielmehr, dass mit einer Politik gebrochen werden muss, die in der weiter andauernden Krise des herrschenden ökonomischen Modells auf eine Intensivierung der alten Regulationsmechanismen setzt, also auf Finanzialisierung, Kürzungsdiktate, Privatisierung, Flexibilisierung, Prekarisierung, Entdemokratisierung.

Le Pens Erfolg ist auch das politische Erbe von zwei Jahrzehnten beschleunigter neoliberaler Ab- und Ausgrenzung in der Gesellschaft und nach aussen, der Ergebnisse des Betriebs der «Etablierten» also, die in der Eurokrise ebenfalls auf kurzfristige «nationale Interessen» setzten, damit den Rückfall von Politik in die Geschichte lostraten. Die Rechtsradikalen fahren nun die Ernte ein. Der Front National ist stark auch deshalb, weil alternative politische Angebote von immer weniger Menschen als realistische Aussicht betrachtet werden: Es hat sich zu oft gezeigt, dass die Regierenden am Ende unter angeblichem Sachzwang das Gegenteil von dem tun, dass sie den Wählern versprochen haben. Mit welchen sozialdemokratischen Zielen war Hollande noch einmal angetreten? Und was ist davon geblieben?

Frankreich sendet zudem noch eine spezielle Botschaft für die europäischen Linken aus: Bei den Regionalwahlen hat sich eine Zweidrittelmehrheit für Konservative, den Front National und andere Rechte entschieden. Darin liegt eine sehr bittere Wahrheit in Zeiten, in denen es immer schwieriger geworden ist, jenseits der sozialdemokratischen Anpassung die Möglichkeit einer linken, solidarischen, ökologischen Alternative denkbar und wählbar zu machen.

Der Wahlsieg der Rechtsradikalen in Frankreich – er ist eine vielleicht letzte europäische Warnung.

 


Ludi Fuchs,
11.12.2015, 114. Jahrgang, Nr. 345.

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Standpunkte:

23.12.2015, 09:52 Uhr.

Markus Stutz schrieb:

Es wird zu wenig danach gefragt, wie viel das Scheitern der Integration mit denjenigen zu tun hat, bei denen es nicht klappt. In westlich-linker Manier werden die aufnehmenden liberalen & offenen Gesellschaften mit Selbstbeschuldigungen angeklagt. Es werden viele Zuwanderer integriert, nur bei Muslimen klappt es bei sehr vielen nicht, auch nicht in den nordischen Ländern, die ja als sehr offen gelten. Asiaten, Osteuropäer und andere Ethnien sind nach einer Generation integriert, nur bei Muslimen finden wir Menschen, die obwohl sie hier geboren sind, unserer Gesellschaft und unseren Werten gegenüber feindlich eingestellt sind und sich von Radikalen zum Terrorismus verführen lassen. Dies mehr zu thematisieren ist Voraussetzung für bessere Integration.


12.12.2015, 17:19 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Frankreich wurde nie autoritär neoliberal regiert. Seit Jahrzehnten wurde mehr Geld ausgegeben als erarbeitet (Arbeitszeit 35- Stunden-Woche). Die französische Wirtschaft ist unter andrem nicht konkurrenzfähig, weil die Sozial-und Steuerlasten zu gross sind. Die Verwaltung ist immens.Wann haben Sozialisten gespart – die Staatsausgaben gekürzt?
Etwas Positives: Morgen wird in Zürich die DML ganz eröffnet. Die Bauzeit und die Kosten wurden von den Unternehmungen eingehalten. Die Marktwirtschaft hat ein Glanzstück geliefert.


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