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«Wandzeitung» vom 14.9.2015:

Für eine solidarische, grosszügige, hoffnungsvolle Schweiz:

Ein Plädoyer.

In meinem letzten «Wandzeitungs»-Text schrieb ich über die Eritreer und die bürgerlichen Parteien, die das Sommerloch dazu nutzten, sich gegenseitig mit asylpolitischer Hetze zu übertrumpfen. Seither starben 71 Asylsuchende in einem Kühltransporter in Österreich, wurde die Kinderleiche des kleinen Aylan an den Strand von Bodrum gespült und sind tausende von Flüchtlingen an europäischen Bahnhöfen und Grenzzäunen gestrandet.

Das, was in den letzten Wochen passiert ist, das passiert nicht erst seit gestern. Offenbar brauchte es für viele Bilder, Tote und Gestrandete ganz nah bei uns, um endlich zu kapieren, dass das Menschen sind, die fliehen. Mich widert die scheinheilige Betroffenheit all derer an, die seit Jahren auf dem Buckel von Aylan und Co. nur für ein paar Wählerstimmen und Macht Fremdenhass verbreiten und dies auch in Zukunft tun werden. Es ist ein bisschen mehr als zwei Jahre her, dass die Schweiz unter Führung der bürgerlichen Parteien das Botschaftsasyl abgeschafft hat. Niemand kann behaupten, man habe nicht bewusst in Kauf genommen, dass darunter insbesondere die Schwächsten leiden werden. Flüchtlingsorganisationen haben gemeinsam mit linken Parteien vergeblich davor gewarnt, den Flüchtlingen diese letzte Möglichkeit der legalen Flucht zu nehmen. Ihnen blieb nur die illegale Flucht in die Festung Europa.

Wir leben in einer zynischen Welt: Für Geld, Waren und Waffen stehen alle Grenzen offen. Doch wenn die Menschen dem Geld folgen oder vor den Waffen fliehen, stehen sie vor verschlossenen Toren. Eine solche Abschottungspolitik ist absurd und verachtend: Es können noch so viele Grenzen dicht gemacht werden – die Menschen werden sich nicht davon abhalten lassen. Nicht, weil sie stur sind, sondern weil sie schlicht keine andere Wahl haben. Weil sich alle, ausnahmslos alle Menschen für das Leben und gegen den Tod entscheiden.

Grenzen und Mauern sind der Versuch der Privilegierten, ihre Pfründe zu schützen. Das mag ein paar wenigen Menschen nützen, doch wir als Gemeinschaft werden verlieren. Denn wenn wir Mauern bauen, uns abschotten und andere ausgrenzen, schliessen wir uns vor allem auch selber ein. Wir bauen eine Mauer gegen aussen – und vergessen dabei, dass auch ein Leben in Mauern kein lebenswertes Leben ist. Geschlossene Grenzen sind keine Antwort auf Millionen von Flüchtlingen. Das waren sie nie, sind es jetzt nicht und werden es auch in Zukunft nicht sein, wenn die Toten vom Laster und der kleine Bub am Strand langsam wieder aus den Köpfen verschwinden. Die vielen Menschen, die sich heute solidarisch zeigen und sich engagieren, machen Mut. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam eine Schweiz schaffen können, die solidarisch, grosszügig und hoffnungsvoll ist. Doch damit müssen wir jetzt beginnen, denn wir sind schon sehr spät dran.


Mattea Meyer,
14.9.2015, 114. Jahrgang, Nr. 257.

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