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«Wandzeitung» vom 20.9.2015:

Kinderwünsche und Herausforderungen:

Frauen und Männer sind gleichwertig.

In letzter Zeit habe ich mit Freundinnen oft Gespräche über allfällige Kinderwünsche und die damit verbundenen Herausforderungen geführt. Wir sind alle gegen Mitte zwanzig, viele von uns Studentinnen und damit noch nicht in den Arbeitsmarkt eingestiegen. Wann also ist der beste Zeitpunkt für Nachwuchs? Direkt nach dem Master? Vor oder nach allfälliger Anwaltsprüfung? Und vor allem: Wer zieht das Kind dann gross?

Klar: Zu sagen, dass Frauen mit dem Kind auf dem Arm hinter den Herd gehören, ist voll old fashioned und in den meisten Kreisen zum Glück nicht mehr salonfähig. Frauen und Männer sind gleichwertig, logo. Väter sollen Elternzeit nehmen können, genauso wie die Mütter. Beide sollen an der Erziehung und dem Kinderalltag teilhaben. Eine präsente Vaterfigur ist genauso wichtig wie eine Mutter. Wissen wir. Gleichzeitig ist es laut der britischen Soziologin Catherin Hakim in Europa so, dass die meisten Frauen immer noch danach streben, «aufwärts» zu heiraten, sich einen karrieretechnisch stärkeren Partner wünschen.

Gesucht sind also Männer, die zwar viel verdienen und den Versorgergedanken verinnerlicht – trotzdem Zeit und Musse haben – schreiende, mit Gonfi beschmierte Mündchen zu putzen und Windeln zu wechseln. Und hier stossen wir an ein ganz anderes Problem. Wie sollen Männer aus der Rolle des arbeitenden, starken Alleinernährers den fliessenden Übergang finden zum sensiblen Papi, wenn sie zu Lebzeiten nie mit Puppen spielen durften? Mädchen wird diese Rolle seit Kleinkindtagen eingeimpft. Sie bekommen zum Geburtstag eine Baby Annabell. Sie backen herzige Sandkuchen in Spielzeugküchen, tragen Rosa und werden mit Schleifchen dekoriert. Jungs kriegen Bagger und Spielzeugautos. Wenn sie laut sind oder sich gegenseitig mal Dreck ins Gesicht schmieren, heisst es: «Es sind halt Buebe, gäll!» Wenn sie gehänselt werden, sollen sie zurückschlagen und Stärke zeigen. Von Mädchen erwartet man eher eine diplomatische Aussprache, die im besten Fall mit einer Umarmung endet.

Können wir von den Männern, die aus solchen Buben erwachsen, verlangen, dass sie mit Mitte Zwanzig die jahrzehntelange geschlechterspezifische Indoktrination einfach hinter sich lassen, als Teilzeithausmann fungieren und stundenlange Diskussionen über Händliwäsche und Fudibutze führen? Die Organisation Pinkstinks in Deutschland ruft die Wirtschaft dazu auf, diese zur Doppelmoral führenden Geschlechterstigmatisierungen zu beenden. Sie bezeichnet sich selbst als «organisierter Stunk gegen Gender-Marketing und Sexismus in der Werbung». Finde ich super. Aber noch viel wichtiger ist, dass wir alle uns der hirnrissigen Geschlechterrollen und Standardisierungen im Alltag bewusst werden und sie im Keim ersticken. Wir sollten diese Forderung zuallererst an uns selbst richten, indem wir beispielsweise aufhören, unseren Mitmenschen mithilfe von rosa und blau zu vermitteln, welche Genitalien unser Nachwuchs besitzt.

Letztes Wochenende hatte ich diesbezüglich ein äusserst positives Erlebnis. Mein fünfjähriger Gottibueb war bei mir zu Besuch und hielt mir stolz seine kleinen Fingernägel hin. Seine Mutter sagte lachend: «Die hät er sich im Fall nume für dich aagmalt!»


Anita Hofer,
20.9.2015, 114. Jahrgang, Nr. 263.

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