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«Wandzeitung» vom 25.11.2015:

ent-sorgung mit allen mitteln:

eine bundesrätin wagt sich ins weinland.

genau am martinstag ergab sich in marthalen ein merkwürdiges bild. die mehrzweckhalle war zum bersten voll: eine bevölkerung im entschlossenen widerstand gegen das endlager, und sie hat doch eben im oktober mehrheitlich jene parteien rechtsaußen gewählt, die sich mit der energiewende schwer tun.

zur zeit ist die nagra daran, noch einmal unsern untergrund mit großen maschinen zu erschüttern und weichzuklopfen. ebendies tat mit worten die energieministerin doris leuthard. sie hatte sich dazu ins 2000-seelen-dorf begeben – was einigermaßen außergewöhnlich ist – und sie tat es mit charme und überzeugungskraft. es habe sich «das schweizervolk» mehrmals für die atomenergie ausgesprochen (nein! scholl es ihr entgegen), nun habe man den dreck, und der sei gefährlich und müsse entsorgt werden. ‚ent-sorgt‘ war denn auch das häufigste wort an diesem abend, und es wurde nie hinterfragt. dort unten im endlager, sagte sie, sei der abfall sicher. uns aber scheint bedeutsamer als der vielgerühmte harte opalinuston die beugsame haltung der weinländer und das fehlende interesse der winterthurer. um ein solches weichklopfen dürfte es beim reislein der magistratin und ihrer entourage in dieses dörfchen am äußersten rand der schweiz denn auch gegangen sein.

 

 

die einzige kritische stimme auf dem podium war bastien girod. er legte ruhig und sachlich den finger auf die ungeklärten punkte. ist nun das endlager geplant für den bereits angefallenen atommüll, oder ist es angelegt auch auf zukünftige abfälle, wenn die bestehenden atomkraftwerke frisch-fröhlich weiter ‚sauberen‘ und ‚billigen‘ strom produzieren? immerhin reicht die unterkellerung in den plänen von trüllikon bis rheinau. und wie steht es mit der rückholbarkeit, wenn einmal die sicherheit sich (wie in kölliken) als trügerisch erweisen sollte? mehrmals erhielt er spontanen applaus.

andere unerwähnte risiken gibt es beim transport. nicht auszudenken, wenn es beim transit durch den hauptbahnhof winterthur zu einem unfall kommen sollte. aber keine sorge, es wird keinen unfall geben. in solchen fragen ist die offizielle schweiz tiefgläubig und vertraut auf den lieben gott, der seit morgarten stets auf unserer seite ist. wie ist das mit der umpackungsanlage beim bahnhof marthalen, die genau über dem riesigen grundwassersee des rheins vorgesehen ist, aus dem sich die wasserversorgung der stadt winterthur speist? auch sprach niemand von der zeit nach den ersten 10 000 jahren und wie dannzumal auf die akute gefahr im untergrund hingewiesen werden könnte, wenn einmal unsere sprachen und microsoftsysteme unverständlich geworden sind.

merk-würdig: in der sendung «chweiz aktuell» fiel ein bericht über den anlass nach wenigen sekunden aus, wegen einer «technischen störung», und in den zeitungen wurde der markanteste sprecher des abends, nämlich bastien girod, beharrlich nicht zitiert. eine scheu, ihm im bevorstehenden ständeratskampf rückenwind zu geben, ist nicht auszuschließen.

«reden sie mit uns! vertrauen sie uns!» ach frau leuthard, wir haben mühe. sie sind ihrer sache zu sicher. wir sind weiterhin be-sorgt.


Alfred Vogel,
25.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 329.

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Standpunkte:

3.12.2015, 11:47 Uhr.

Aline schrieb:

Du schreibst mir aus dem Herzen, lieber Alfred!
En ebesöttige Gruess!


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