Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 20.11.2014:

Mehr und mehr geht auf der Altstadtgasse gen Norden die Post im kulinarischen Bereich ab:

Quirliges Leben am Oktobertor.

Es war auch dieses Jahr Oktober am Obertor, wie freilich allenthalben, und die Fressgasse war oft von jungen Menschen belebt und die hungrige Gastig voll am Kauen wie am Schlucken: Kebab und Vegan-Döner oder Vegi aus zwei Buden, originale wie originelle Hassan-Sandwichs erfüllten viele Knabberträume, und die Manta-Brötli – durchaus auch mit Fleisch – liegen bald ebenfalls in gekühlten Vitrinen bereit zum Frass. Nie und nimmer ein mcdonald‘s easy morning, hier nie, sondern den ganzen Tag über süsse Donats. Egal! Die Mundwerke liefen nicht nur kauend, so wie weiland der VW Käfer, die lauten hässig gestimmten Mäuler plauderten vor allem über die wirklich ganz üble Schweizer Post, die ihre Räume vor den Nasen ihrer massenhaften Sympathisanten dicht machte und dem Migros-Giganten – an der tollsten Gasse der Eulachstadt – das Tor zum grossen Food-Geschäft öffente. Mahlzeit!

Das junge Gemüse im Wortsinn, nicht im übertragenen, belebt die heimelig gepflästerte Gasse hierorts, jetzt auch samstags. Es ist dann amel Gemüsemarkt, die nicht mehr so junge Junge Altstadt, beziehungweise deren Geschäftsführer Heinz Schudel, hat nebst Riboli-Brot und ökologischem l‘ultimo Bacio-Ökofood, noch mehr Essbares ins Obertor gezaubert. Doch die Leere im ehemaligen Buchladen schmerzt und der Wilde Mann lebt auch nicht mehr hier. Dafür kann man neugierig durch die attraktiven Schaufenster des Licht- und Design-Ladens Diener gucken, in ein Multimedia-Geschäft, zwei Optikerias, Sandros Italo-Kleider-Laden, eine Fata-Morgana, ein U-Sport, und die Ethik-küsst-Ästethik-Boutique.

Das Obertor ist einfach dort, wo die «Wandzeitung» wohnt und der mal stille, mal schreiende Schamane abends öfters mal den Ansässigen seine Referenz erweist. Er verfügt womöglich über magische Kompetenzen, in seinem Umfeld ist er als Medizinmann hoch geachtet, und er will mit seinem Ich voll Macht ausüben. Ein Bisserl wirr ist er manchmal, aber ein lieber Kerl, sobald man ihn als Bruder grüsst. Er höckelt öfter mal auf dem Rand des Fortuna-Brunnens, trinkt markenübergreifend Büchsenbier und schreit uns Anwohnende wie die unsichtbaren Bullen, im Gebäude Nummer Siebszehn gleich vis-à-vis, als die letzten Füdli dieser Erde an. Sie – die prima Schugger – sind aber mittlerweile so gut in (Uni-)Form, dass sie den Geistlichen anerkennend mit seiner eigenen Waffe schlagen: dem Lächeln, und ihn davon überzeugen, dass die vier schlafsuchenden Kleinkinder in der Gasse – bei allem guten Willen – krähende Männer nicht als Heilige empfinden, sondern nur von nackter Angst geplagt werden.

Hier herrscht so was wie Italianità und Mazedonità pur, auch in zwei Coiffeurläden: Im einen gibt’s den gelockten Südlook und im anderen schneiden die mazendonisch geführten Scheren kurz. Und die jungen Piercing&Tatoo-Schöpferinnen und Künstler, die selbst als wandelnde Meisterstücke durch die Gasse huschen, grüssen auch uns alte Säcke, dies sogar mehrmals täglich und überaus freundlich. Das Leben in dieser Gasse ist mit Verlaub wahnsinnig toll: Wohlwollen allenthalben und gewiss bei allen hiesigen Kronen der Schöpfung toll volle Mägen. Das Fobertor ist im Fall auch im Februar cool.


Guido Blumer,
20.11.2014, 113. Jahrgang, Nr. 168.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.