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«Wandzeitung» vom 3.6.2016:

Geld?

Bedingungsloses Grundeinkommen.

Keine Angst: ich werde jetzt nicht über das bedingungslose Grundeinkommen herziehen: in 2 Tagen ist ja ohnehin klar, dass es nicht so schnell kommt. Am Graben war kürzlich unter einem Sonnendach eine Gruppe Männer versammelt, die ganz für eine bedingungsloses Ja waren. Diskussionen waren leider nicht möglich, denn auf gezielte Fragen gab es keine Antworten. Immerhin hatte der eine der Männer Humor; als ich ihm sagte, dass ich für die 2500 meine Ja-Stimme geben würde, aber nur unter der Bedingung, dass sie nicht pro Monat, sondern pro Woche ausbezahlt würden, meinte er, ich sei ja sehr bescheiden: er hätte es lieber täglich ...

Diskussionen, in die ich zufällig hineingeriet, endeten meist in der Feststellung, dass nur wenige Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dafür sein würden: die Schätzungen lagen zwischen 4 und 8 % gegenüber den Werbemannen, die von 40 bis 50 % ausgehen. Was hingegen fast immer durchkam, war die Tatsache, dass sich bei einer Annahme die Geschichte nicht so schnell realisieren liesse: je nach Diskussionsgruppe schwankten die Vermutungen zwischen 20 und 50 Jahren.

Geld abschaffen, und zwar rasch. Das war der Tenor vieler Gespräche. Was meist nur nebenbei zur Sprache kam, waren die Folgen einer Annahme des bedingungslosen Grundeinkommens, nämlich, wer dann wohl noch motivierbar für die weniger angenehmen Arbeiten in unserer Gesellschaft wäre. Für einige Menschen wären die 2500 für ein bescheidenes Leben genug, da würden sie kaum eine «Dreckarbeit» dazu annehmen wollen.

Die Konsequenzen sind bald ausgemalt: viele hätten mehr freie Zeit, das würde dem Ideal von Bertrand Russell nahekommen, der schon vor 70 Jahren der Ansicht war, dass vier Stunden Arbeit täglich genügen würden und man dann genug Zeit hätte, dem Müssiggang zu frönen.

Alter Wein in neuen Schläuchen, das bedingungslose Grundeinkommen ist ja eigentlich nicht so neu, auch wenn es Russell nicht genau so formuliert hatte. Er hat sich ausdrücklich gegen das reine Nützlichkeitsprinzip unserer Bildungsanstalten verwahrt. Sein grundlegendes Werk dazu «Das Lobe des Müssiggangs», zeichnet einige Perspektive auf, die auch heute noch gelten. Er findet, dass die Arbeit ungerecht verteilt ist, und vier Stunden Arbeit täglich vollauf genügen würden, um den Standard zu halten. Interessant sind die Ausführungen besonders für einige Berufsgruppen. «Lehrer werden sich nicht mehr erbittert bemühen müssen, mit routinemässigen Methoden Dinge zu lehren, die sie in ihrer Jugend gelernt und die sich in der Zwischenzeit vielleicht als falsch erwiesen haben. Ärzte werden Zeit haben, sich mit den Fortschritten auf medizinischem Gebiet vertraut zu machen.»

Mehr Zeit für sich und seine persönlichen Anliegen zu haben, das wäre vielleicht die wichtigste Konsequenz, wenn man weniger oder gar nicht mehr arbeite müsste. «Vor allem wird es wieder Glück und Lebensfreude geben, statt der nervösen Gereiztheit und Übermüdung ...» Ob es allerdings realistisch ist, dass «Männer und Frauen, da sie die Möglichkeit haben, ein glückliches Leben zu führen, gütiger, toleranter und andern gegenüber weniger misstrauisch sind», wäre zu bezweifeln. Schön wär’s.


André Bernhard,
3.6.2016, 115. Jahrgang, Nr. 155.

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