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«Wandzeitung» vom 2.8.2016:

Alltägliches:

Abheben.

Wenn ich meinen Sohn glücklich machen möchte, überrasche ich ihn mit einem Ausflug an den Flughafen. Er hat seine betriebsinterne IV-Lehrabschlussprüfung vor sich und bald eine weitere Lebenshürde gemeistert. Darauf folgt der Vertragsabschluss, der ihm bescheinigt, dass er dort weiterhin als Recyclist arbeiten darf. Grosse Lebenswünsche hat er nicht. Er möchte die interessantesten Flughäfen Europas besuchen und dort das Starten und Landen beobachten. Damit er dies verwirklichen kann, haben wir ihm zum bevorstehenden 20. Geburtstag ein «Fliegerkonto» eingerichtet. Es gibt zu seinen Ehren eine grosse Sause und die Gäste zahlen etwas aufs Konto ein. Damit er sieht, dass er seinen Träumen immer ein Schrittchen näher kommt, werden wir ihm einen Dauerauftrag installieren. Jeden Monat kommt ein kleiner Batzen von seinem Lohn aufs Konto – damit er sieht wofür er arbeitet.

Deswegen musste ich mir aber auch schon Kritik anhören. Es sei verwerflich, beim heutigen Klimawandel um des Fliegens Willen herumzureisen. Das stimmt sehr wohl. Aber wie gesagt, andere grosse Ziele hat mein Sohn nicht. Er ist in seinem Denken ziemlich eingeschränkt und gefangen in seinen Möglichkeiten. Darum soll er es wenigstens mit dem Fliegen so machen, wie er kann und will. Wir schauen täglich um die Umweltbelastung und mit seinem Beruf steht er überhaupt im Zeichen der Nachhaltigkeit. Um mein Gewissen etwas zu beruhigen, könnte ich als Kompensationsbetrag für meinen CO2-Verbrauch jährlich einen bestimmten Betrag an Klimaschutzprojekte einzahlen. Wie man im Internet liest, kann man den CO2-Ausstoss anhand der zurückgelegten Kilometer berechnen. Ein Mittelklasse-Auto fährt im Schnitt 12 000 km im Jahr und verbraucht etwa 2000 kg CO2. Das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen wird total auf 2300 kg geschätzt. Gut, dass wir kein Auto haben. Momentan liegt der Schnitt eines Europäers nämlich bei 9100 kg! Laut Rechner ergäbe ein Wunsch-Flug von meinem Sohn für die Strecken von Zürich Flughafen nach London einen Verbrauch von 387 kg. Umgerechnet entspricht dies einer Kompensation von etwa neun Franken. Ich könnte diesen Betrag an eine Hilfsorganisation spenden oder ihn noch besser gar nicht erst fliegen lassen.

Heute gehen wir also Flugzeuge beobachten und reisen mit dem Zug dort hin. Ich lasse mir zum x-ten Male erklären, welche Flugzeuggesellschaft welche Modelle fliegt, wie viele davon und von welchem Baujahr. Das Wichtigste sind die neuen Maschinen. Die SWISS ist ja daran, die bisherigen 20 Flugzeuge der Avro RJ100-Flotte mit der brandneuen Bombardier C-Series zu ersetzen. Nun sehe ich die ersten Modelle live und kann mich darauf erfreuen, dass die extrem leise sein sollen. Auch das ist ein Fortschritt. Und wenn wir alle endlich umdenken, um andere erneuerbaren Energien zu nutzen, zum Beispiel mehr anfangen können mit unserem Kot, oder Energie-Gewinnung durch Regen, Gewitter, Solarzellen auf Zügen, die auch noch die Geschwindigkeit wiederum nutzen oder gar der Umwandlung unseres CO2-Ausstosses, dann müssen wir auch kein so schlechtes Gefühl mehr haben für unsere umweltschädigenden, abgehobenen Hobbys.


Momo Appenzeller,
2.8.2016, 115. Jahrgang, Nr. 215.

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