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«Wandzeitung» vom 2.10.2016:

Teil 1:

Moby, der Zirkuselefant.

Der Applaus flaute langsam ab, das grosse Finale war vorbei, Moby drehte sich schwerfällig um und trottete aus dem grossen Zirkuszelt. Die Clowns schubsten ihn beim Vorbeistürmen an und hatten schon wieder ihren Spass. Moby war traurig. Er hatte sich doch so Mühe gegeben. Er hatte sich hingesetzt, auf einem grossen Ball balanciert und die Tigerin auf seinem Rücken reiten lassen. So wie immer. Er war gut gewesen und die Leute hatten geklatscht. Aber nicht so begeistert wie bei den Clowns.

Moby war 12 Jahre alt und seit seinen Babyjahren beim Zirkus. Sein Grossvater war ein berühmter Zirkuselefant gewesen. Er war sehr gross gewesen, aber sehr geschickt. Er konnte Glühbirnen einschrauben und die Manege damit beleuchten. Moby träumte davon, genauso beliebt zu sein. Er ging zu seinem Wagen und trank aus der grossen Wanne. Er hob seinen Rüssel und liess Wasser über seinen breiten Rücken laufen. Schon kam Tom, der Elefantenwärter, schreiend dahergerannt.

«Hey, du hast noch deine Zirkusdecke an. Hör sofort auf.» Wütend nahm er Moby die reich bestickte Decke ab und hängte sie an die Sonne. Moby war das alles gleichgültig, er trottete in seinen Wagen und blieb mit dem Kopf in Richtung Wand stehen. Er schloss die Augen und wiegte langsam hin und her. Das frische Heu in der Raufe interessierte ihn überhaupt nicht. Elina, seine Tante kam bei ihm vorbei und schubste ihn zärtlich an. Aber Moby tat, als spürte er nichts. Elina schüttelte den Kopf und trottete zurück in die Gruppe. Sie waren fünf Elefanten. Der Bulle Janiph war Mobys Vater und so alt, dass er nicht mehr auftreten musste. Er wurde damit beschäftigt, dass er sein Futter in einem Metallfass mit Löchern rausschütteln musste oder er spielte Fussball mit einem alten Autoreifen, der an einer Eisenkette angemacht war.

Dieses Spiel liebte auch seine kleine Schwester, Samirah, die nun drei Jahre alt war. Sie konnte schon kleine Kunststücke wie Rollen auf dem Boden machen und hielt eine kleine, brennende Fackel, ohne Angst zu haben. Moby gönnte ihr den Applaus natürlich, aber eben. Elina und die Mutter Anina, wechselten sich damit ab, die Kleine zu betreuen. Weil die Elefantenkühe so sanft und zuverlässig waren, durften sie manchmal mit Tom und den Besuchern des Zirkuszoos einen Spaziergang in der Umgebung machen. Das war wunderschön für die Elefantendamen. Sie blieben schön brav auf dem Weg. Sie durften manchmal ihren Rücken an einem Baum reiben oder sie bewarfen sich mit Erde. Wenn sie dann in den Zirkus zurückkamen, wurden sie von den anderen Elefanten freudig begrüsst und neugierig beschnuppert.

Elina machte sich Sorgen um Moby. Er war schon seit Tagen bedrückt, wollte aber nicht mit der Sprache herausrücken. Sie suchte seine kleine Schwester, die einen guten Draht zu dem verstockten Grauen hatte. Sie fand Samirah beim Bächlein neben dem Zirkus. Sie war damit beschäftigt, einen kleinen Hartgummiball ins Wasser zu schubsen und ihn dann mit dem Rüssel wieder herauszuklauben. Das klingt einfach, erfordert aber enorme Geschicklichkeit. Elina beobachtete Samirah gerührt. Die wird es einmal zu etwas bringen, dachte sie sich.


Momo Appenzeller,
2.10.2016, 115. Jahrgang, Nr. 276.

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