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«Wandzeitung» vom 11.6.2016:

Nato und Russland:

Der Westen schafft eine neue Front.

Das Dementi klingt so dürftig, dass es schon Mitleid verdient. Nein, das neue amerikanische Raketenabwehrsystem in Rumänien, so Nato-Generalsekretär Stoltenberg, bedrohe nicht die Sicherheit Russlands. Dazu stehe die Anlage viel zu dicht an seiner Grenze.

Was für ein Argument! Sicherheitspolitiker wissen, wie allergisch Grossmächte reagieren, wenn ihnen ungeliebte Rivalen ihre neueste Waffentechnologie direkt vor die Haustür stellen. Eine der gefährlichsten Zuspitzungen des Kalten Krieges, die Kuba-Krise von 1962, hat genau so angefangen.

Wer erinnert sich noch an die hochfliegende Rhetorik der Epochenwende nach 1989? Vom Ende der Gegnerschaft war die Rede, von Einheit und gleicher Sicherheit, von einem Zeitalter des Friedens in Europa ohne neue Grenzen und Gräben. Konsequent wäre es gewesen, eine europäische Sicherheitsordnung aufzubauen, die jeden in dieselbe Pflicht nimmt, aber niemanden von gleichberechtigter Teilhabe ausschliesst.

Stattdessen begann die Nato ihre Expansion nach Osten. In drei Aufnahmeschüben erhöhte sie ihre Mitgliederzahl von 16 auf 28. Und sie will weiter wachsen.

Als Trostpflaster erhielt Moskau ein feierlich besiegeltes Dokument: die Nato-Russland-Akte von 1997. Sie hob seinen protokollarischen Status geringfügig an. Russlands Mitspracherecht in den Schlüsselfragen europäischer Sicherheit übersteigt nun das Niveau Liechtensteins oder San Marinos, blieb aber immer noch winzig im Vergleich zu Ländern wie Luxemburg oder Lettland.

Seit Beginn der Krimkrise 2014 verstärkt die Nato ihre Präsenz in den östlichen Mitgliedsländern. Die Schnelle Eingreiftruppe wurde auf fast 40 000 Soldaten verdreifacht und um eine sogenannte Speerspitze ergänzt, die aus dem Stand einsatzfähig ist. Die USA planen die Verlegung einer Panzerbrigade mit bis zu 4000 Soldaten, Deutschland hat die Entsendung eines Kampfbataillons nach Litauen zugesagt.

Damit verstösst die Nato gegen ihre Zusage aus der Russlandakte, in den neuen Mitgliedsländern keine zusätzlichen substantiellen Kampftruppen dauerhaft zu stationieren. Den Vorhalt des Wortbruchs sucht sie dadurch zu entkräften, dass die Truppenkontingente von Zeit zu Zeit zwischen den einzelnen Standorten rotieren.

Die Nato muss überlegen, ob sie die bisher nur rechtlich und politisch markierte Ostgrenze der Allianz zu einer militärisch befestigten Frontlinie ausbauen will – wie zu Zeiten des Kalten Krieges.

Als Warnung dienen mag der kaukasische Fünftagekrieg 2008, als russische Truppen die georgische Armee zurückdrängten, die in Südossetien einmarschiert war, um die abtrünnige Provinz wieder in Besitz zu nehmen.

Augenblicklich eskalierte ein Regionalkonflikt zur internationalen Grosskrise. Im Schwarzen Meer drängten sich die Kriegsschiffe der Atommächte. In Brüssel berieten die Bündnisbotschafter über den Einsatz der Nato-Response-Force. Wie knapp der Westen an einem Waffengang mit Russland vorbeigeschrammt ist, wissen bis heute nur die Eingeweihten.

 


Ludi Fuchs,
11.6.2016, 115. Jahrgang, Nr. 163.

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Standpunkte:

16.6.2016, 22:00 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Die Sowjetunion und der Waschauerpakt haben sich ohne Druck durch den Westen aufgelöst. Die zwölf ehemaligen Warschauerpakt-Mitglieder wurden Mitglied der NATO, weil sie sich von Russland bedroht fühlten. Die Krim und die Ostukraine wurden ÜBERFALLEN UND ANNEKTIERT.


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