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«Wandzeitung» vom 24.6.2016:

Alles andere wird nun Schritt für Schritt angepackt:

Prüfungsstress – und dann?

Die letzten zwei Wochen waren die wohl mühsamsten, die ich jemals erleben musste. Denn, wie Sie vielleicht wissen, war vom 6. bis zum 17. Juni das sogenannte QV-Fenster, in dem der ganze Kanton Zürich seine Schüler der Berufsfachschulen zu den Lehrabschlussprüfungen oder, wie es neu heisst, dem «Qualifikationsverfahren» heranruft.

Nun bedeuten aber Abschlussprüfungen nicht nur, in die Schule zu gehen und für fünf bis sechs Stunden am Tag Prüfungen zu lösen, oh nein. Es bedeutet, dass ich nach 5 Stunden, in denen sich mein Gehirn auf die Prüfungsunterlagen übergeben hat, nach Hause komme, um für die nächste 5-Stunden-Folter zu büffeln. Selbstverständlich ist das nicht nur während dieser zwei Wochen so, sondern auch die Woche davor. Und die Woche davor. Vielleicht auch die Woche vor der Woche davor. Mein Kopf ist zu sehr mit Buchungssätzen vollgestopft, als dass ich mich zeitlich noch orientieren könnte. Jeden Tag nach der Arbeit oder nach der Schule ging es nach Hause, nur um zu lernen. Ich gebe zu, ich hätte früher mit dem Büffeln beginnen sollen, aber ich wollte testen, ob ich unter Druck nicht besser lernen könnte. Die Antwort ist nein. Definitiv nicht.

Damit aber nicht genug. Denn als ob ein Lernender nicht schon beschäftigt genug wäre, verhalten sich die lieben Eltern, Geschwister oder Mitbewohner so, als ob sie diejenigen wären, die unter den Abschlussprüfungen am meisten leiden. Klingt komisch? Ist aber so. Unzählige Male musste ich mir anhören, wie unfreundlich ich sei, dass ich mich (währendem ich lernte!) nicht mit meiner Mutter unterhalten wollte. Oder wie schrecklich es sei, dass ich mir zwei Tage vor der ersten Prüfung nicht die Zeit nehmen konnte, meine Verwandten zu besuchen. Es war auch eine grosse Last für meine Familie, dass ich – bitte halten Sie sich fest – Schulunterlagen, die ich täglich zum Lernen benötigte, auf einem unbenutzten Stuhl platziert hatte. Sie sehen, meine Familie hat eine sehr schwierige Zeit hinter sich, die sie alle emotional und physisch sehr belastet hat. Aber danke der Nachfrage, der Prüfungsstress hat mich natürlich kaum berührt.

So, jetzt sind die Prüfungen vorbei. Aber das bedeutet nicht, dass alle Sorgen weggewischt sind. Denn die Ergebnisse der Prüfungen stehen noch aus und sollte die LAP nicht bestanden sein, so beginnt ein beinahe endloser Walk of Shame; weil jeder Verwandte, alle Freunde und Bekannte werden nachfragen «Und, häsch bestande?» Die unglaublich unangenehme Situation, in der ich dann kleinlaut sagen müsste «Nei, es hät leider nöd glanget ...», möchte ich mir auf jeden Fall ersparen.

In der Zwischenzeit muss auch noch eine geeignete Arbeitsstelle gefunden werden. Bevor ich keine sichere Anschlusslösung habe, wird vollständige Entspannung ein Fremdwort bleiben, so wie es die letzten Wochen eines war. Schlussendlich bin ich aber einfach nur froh, dass die Prüfungen vorbei sind. Und alles andere wird nun Schritt für Schritt angepackt.

 


Nicole Langhart,
24.6.2016, 115. Jahrgang, Nr. 176.

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