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«Wandzeitung» vom 7.10.2017:

Die Jahre ziehen so schnell am individuellen Leben vorbei, im Tempo der fliessenden Eulach:

Ich bin plötzlich nicht mehr jung!

Ich darf nun schon seit elf Jahren am schönsten Ort der Welt leben: nämlich am Obertor in Winterthur, im zweiten Stock, ennet dem Fortunabrunnen – gleich gegenüber der Stadtpolizei. Mit deren Sicherheitsprofis verstehe ich mich prächtig, und ich bewundere deren professionelle Arbeit. Freilich gibt es auch täglich mehrere Schwätzli mit den guten Bullen auf der Gasse. Ich habe noch an keinem meiner vielen Wohnorte so leidenschaftlich Wurzeln geschlagen und mich derart heimisch gefühlt. Ich liebe es, am Winterthurer Obertor leben zu dürfen, hier ist’s mir voll wohl. Ich höre nächtens und tags über das stete Wassergeplätscher vom Fortunabrunnen. Es herrscht ganz in Adolf Ogis Sinn Freude.

Die Lebenserwartung der Menschen in den reicheren Ländern ist seit 1970 im Durchschnitt um zehn Jahre gestiegen, wohl weil sie in einem überaus angenehmen Umfeld leben. Die Schweiz belegt im jüngsten Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – OECD – einen Spitzenplatz. In Japan, Spanien, der Schweiz, Italien und Frankreich lag im Vergleichsjahr 2013 die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt bei über 82 Jahren. Japan ist mit 83,4 Jahren an erster Stelle, gefolgt von Spanien mit 83,2 und der Schweiz mit 82,9 Jahren, wie die OECD weiss. Ich fürchte meinen Tod nicht. Nie im Leben habe ich mich gefragt, ob ich zu den jungen Menschen gehöre, oder zu jenen, die kein langes Leben mehr vor sich haben. Mir macht es einfach gar nichts aus, wenn die Herzensflamme in mir erlöscht. Ich bin ganz einfach nicht mehr jung. Es mag sein, dass der Schnitter voll in unserer Mitte lebt, und das Todesurteil jederzeit ausspricht. Aber es ist ein Zauber unter uns, der uns im Ungewissen lässt. Es geht uns schlicht nichts an, wann wir die Welt verlassen sollen. Da sind höhere Kräfte über uns. Zum Glück gibt es kompetentere Power, die zwischen Leben und Tod, zwischen schwarz und weiss entscheiden. Wenn das eine oder andere Bebehchen unseren Geist dominiert, ist unser Leben irgendwie zitternd auf dem Hochseil. Und ein Absturz ist immer, also in jeder Sekunde möglich. Das hat nichts mit schwarz- oder weissmalen zu tun. Das Leben ist einfach so wie es ist.

Ich bereue nichts in meinem fünfundsechzig jährigen Leben, merke einfach, dass Tag für Tag ein grosses Geschenk vor mir steht. Ich bin nicht mehr der Jüngste und dennoch dankbar, für jede weitere Minute irdischen Lebens. Benjamin Franklin hält die Toten für die einzige solide Mehrheit, die es auf Erden gibt. Und ich freue mich sehr über jeden neuen Tag und geniesse mein Leben, im Wissen darum, dass jeder Tag der letzte sein könnte. «Mirischgiich», flötete Dimitri – der Clown – weiland ins Zirkuszelt. Das ist eine gesunde Grundhaltung. Denn der Tod ist ein gerechter Mann oder eine vorurteilslose Frau, ob’s arm bist oder reich. Eine überirdische Kraft, die unser Hirn freilich überfordert.

Ich sage danke schön für die rund 24 000 Tage Leben, die ich vorwiegend positiv und mit grosser Lebensfreude verbracht habe. Und ja, auf ein Weiteres ...


Guido Blumer,
7.10.2017, 116. Jahrgang, Nr. 280.

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Standpunkte:

8.10.2017, 14:18 Uhr.

alfred vogel schrieb:

und eine deiner taten, lieber guido, war: dass du uns mit der wandzeitung ein wunderbar vielfältiges forum geschaffen hast.


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