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«Wandzeitung» vom 11.1.2017:

Politik kann also, den Interessen der Wirtschaft durchaus etwas entgegensetzen.

Es gibt keine mächtige globale Elite.

Seit geraumer Zeit beschäftigt die angebliche Existenz einer globalen Elite die Fantasie einer breiten Öffentlichkeit. Spätestens wenn der Weltwirtschaftsgipfel in Davos tagt, tauchen entsprechende Berichte in den Medien auf. Auf Verschwörungstheoretiker jeglicher Couleur übt diese Elite, aus Milliardären und Topmanagern bestehend, einen besonderen Reiz aus. Für sie stellt sie so etwas wie eine geheime Weltregierung dar, die alle Fäden zieht.

Diese Vorstellung erfreut sich abgeschwächt auch bei vielen nicht zu Verschwörungstheorien neigenden Beobachtern grosser Beliebtheit. So verweisen die Spitzenmanager zur Begründung ihrer exorbitanten Einkommen immer wieder auf den globalen Markt für ihre rare Qualifikation. Politiker greifen auf das Argument der weltweiten Wirtschaftselite zurück, wenn sie die Alternativlosigkeit ihrer Handlungen begründen. Vor allem in der Steuerpolitik argumentieren sie ständig, dass die Reichen und die grossen Unternehmen das Land verlassen würden, wenn man die steuerliche Belastung für sie nicht senkt. Sie seien eben nicht mehr an nationale Grenzen gebunden, sondern international hochmobil. So verständlich diese Argumentation bei denen ist, die keine Veränderung der herrschenden Verhältnisse wollen, so unverständlich ist, dass auch viele kritisch eingestellte Menschen ähnlich denken. Gäbe es die von ihnen angeprangerte globale Elite tatsächlich, wären die Aussichten auf Veränderung unter den aktuellen Bedingungen minimal. Denn eine Gegenkraft zu einer solchen Elite ist nicht in Sicht.

Die Realität ist glücklicherweise eine andere. Von einer globalen Elite ist nicht viel zu sehen. Unterwirft man den Personenkreis, der ihren Kern bilden müsste, die 1000 reichsten Milliardäre und die Topmanager der 1000 grössten Unternehmen dieser Welt einer genaueren Betrachtung, ist das Ergebnis eindeutig. Von den Topmanagern leben und arbeiten 90 Prozent in ihrem Heimatland, von den Milliardären sogar über 90 Prozent. Auch von einer gemeinsamen Ausbildung an den weltweit bekannten Elitehochschulen kann keine Rede sein. Vernetzung? Fehlanzeige: Die Milliardäre und Spitzenmanager haben zu über 90 Prozent in ihren Heimatländern studiert. Doch wenn es diese mächtige Weltelite gar nicht gibt, dann hat das politische Konsequenzen: Die Handlungsspielräume nationaler Politik sind weit grösser, als seit Jahren mantraartig verkündet.

Beispiel Brexit: Die britische Wirtschaftselite gehört zu den am stärksten internationalisierten der Welt. Doch sie konnte den Ausgang des Referendums nicht verhindern und muss das politische Votum der britischen Bevölkerung anerkennen – und alle gravierenden Folgen. Auch die Auseinandersetzungen um das Freihandelsabkommen CETA entlarven die angeblich mächtige globale Elite als Schimäre. Das wallonische Regionalparlament bewies die Handlungsfähigkeit von Politik und Bevölkerung. Diesmal von links, nicht von rechts wie beim Brexit.

Politik kann also, wenn sie will, den Interessen der Wirtschaft durchaus etwas entgegensetzen. Sie sollte aufhören, Entscheidungen mit einer mächtigen globalen Wirtschaftselite zu begründen, die es so gar nicht gibt.


Ludi Fuchs,
11.1.2017, 116. Jahrgang, Nr. 11.

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