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«Wandzeitung» vom 14.1.2018:

Die attraktivsten Arbeitsbedingungen bietet längst nicht der öffentliche Sektor:

Vorfreude und Weihnachtsbaum.

Studierende der Universität Siegen hatten 2015 untersucht, wie sich bei Kindern die Vorfreude auf das Weihnachtsfest mit dem Näherkommen des Ereignisses verändert. Dazu hatten sie Kindergartenkinder während der Adventszeit wöchentlich Weihnachtsbäume und Geschenke zeichnen lassen. Das Ergebnis aus den untersuchten Zeichnungen war erstaunlich: Je näher der Heiligabend rückte, desto grösser wurden die Weihnachtsbäume und desto mehr Geschenke wurden gezeichnet. Die Bäume und Geschenke in den Kinderzeichnungen waren teilweise von einer zur nächsten Woche plötzlich doppelt so gross. Die Ergebnisse aus der Studie wären doch ein Thema für die Adventszeit. Weshalb sind sie aber auch im Januar noch relevant?

Am 22. Januar berät der Winterthurer Grosse Gemeinderat über das neue Personalstatut, im Frühling 2018 dann über Massnahmen zur Sanierung der Pensionskasse. Wesentliche Änderungen im Personalstatut betreffen Kündigungsfristen, die Abschaffung des automatischen Lohnstufenanstiegs und der Dienstaltersgeschenke und eine zusätzliche Woche Ferien für jüngere Angestellte. Die Diskussion und die Forderungen im Vorfeld fanden wie zu erwarten praktisch ausschliesslich entlang dem Links-Rechts-Schema statt und die Entscheidungen sind voraussehbar. Spannend wird die Debatte also kaum werden.

Interessant ist die Sache aber doch, weil bei diesem Thema psychologische Effekte wie die oben beschriebene Vergrösserung des Weihnachtsbaums in den Kinderzeichnungen eine grosse Rolle spielen. Weil PolitikerInnen oft auch selbst ArbeitnehmerInnen sind, trifft sie die Frage der Arbeitsbedingungen der städtischen Angestellten auf persönliche Weise und weckt Emotionen und Vergleiche mit der eigenen Realität. Aus diesem Grund können sie sich bei diesem Thema Halo-Effekten, Stereotypien und Generalisierungen nur schwer entziehen. Ein Stadtwerk-Mitarbeiter erhielt trotz laufender Untersuchung eine Zulage:

Dann erhält sicherlich die halbe Verwaltung zusätzliche Lohngeschenke. Der Nachbar, der beim Zivilstandsamt arbeitete, erhielt beim Austritt eine Abfindung: typische Privilegien von MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst. Meine Pensionskasse hat den Umwandlungssatz gesenkt: Sollen die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Unterdeckung ihrer Pensionskasse doch selbst bezahlen.

Jeder kennt Leute, deren Arbeitsbedingungen in einzelnen Bereichen schlechter sind als die der Stadt. Es kann in einer Legislative aber nicht darum gehen, diese Arbeitsbedingungen in allen Bereichen den tiefsten Beispielen, die jeder kennt, anzugleichen. Die Aufgabe des Gemeinderates ist es, seine zum Teil widersprüchliche Rolle als Arbeitgeber und als Vertreter der Winterthurer Bevölkerung zu verbinden.

Gegen eine Modernisierung des Personalrechts und Angleichungen an Verhältnisse in der Privatwirtschaft ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Bei der Diskussion soll sich der Gemeinderat aber nicht von persönlichen Meinungen, Pauschalisierungen und Beispielen vom Hörensagen leiten lassen, sondern von der tatsächlichen Realität auf dem Arbeitsmarkt. Die attraktivsten Arbeitsbedingungen bietet nämlich längst nicht der öffentliche Sektor.


Regula Keller,
14.1.2018, 117. Jahrgang, Nr. 14.

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