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«Wandzeitung» vom 22.4.2018:

Das Ende des liberalen Humanismus:

Facebook, Google und ich.

Noah Yuval Harari schreibt in seinem Buch HOMO DEUS: „In der Blütezeit des Imperialismus erkauften sich Eroberer und Handelsmänner ganze Inseln und Landstriche für eine Handvoll Perlen. Im 21. Jahrhundert sind unsere persönlichen Daten wahrscheinlich die wertvollste Ressource, die wir besitzen und wir geben sie den Tech-Giganten für ein paar Emails und Katzenvideos.“

Der Vergleich hinkt ein wenig, denn persönlich können wir mit unseren persönlichen Daten wenig anfangen und die Dienste, die wir dafür erhalten, sind ganz schön umfangreich. Google hilft mir, meine Post zu organisieren, erinnert mich an meine Termine, sagt mir, wie das Wetter wird, wo ich gerade bin und wie ich an mein Ziel komme, empfiehlt mir Bücher und Filme und ermöglicht es mir, von überall auf meine Arbeitsdokumente zuzugreifen. Trotzdem ist es wohl so, dass viele von uns das volle Ausmass dessen, was dieser Deal beinhaltet, noch nicht erfasst haben.

Harari sagt auch, dass wir gerade miterleben, wie das Zeitalter des liberalen Humanismus zu Ende geht. Der liberale Humanismus ist eine Ideologie, die sich parallel zur Industrialisierung ausbreitete. Sie besagt, dass jeder Mensch frei, wertvoll und einzigartig ist. Man findet diese Idee heute bei uns in allen Gesellschaftsbereichen. In der Demokratie, wo die Meinung des Wählers zählt. In der Kunst, wo der Markt und also der Konsument entscheidet, was Kunst ist. In der Schule, wo die Schülerinnen und Schüler lernen, für sich selbst zu denken. Im Recht, wo erlaubt ist, was sich gut anfühlt und niemandem schadet, etwa die gleichgeschlechtliche Ehe. Und in der Wirtschaft, wo der Konsument wiederum entscheidet, welche Produkte er kaufen will. Verlangt der Konsument nach billigem Fleisch, ist es in Ordnung Millionen Schweine auf engstem Raum zu halten, zu mästen und dann zu schlachten, bevor sie je das Tageslicht erblickten. Der Mensch hat die Dinge in der Hand, so die Idee des liberalen Humanismus.

Doch der Mensch als unangefochtene Autorität hat ausgedient. Die Algorithmen von Google können präziser bestimmen, was mir gefällt und was ich kaufen möchte, als ich selbst. Und der Algorithmus von Facebook ist fähig meine Persönlichkeit besser einzuschätzen, als meine Familie und Freunde. Algorithmen entscheiden, was wir werden möchten, wie wir aussehen wollen, was wir abstimmen, wohin wir in die Ferien fahren und was wir uns als nächstes anschaffen.

Das ist ja nichts Neues. Unsere Wünsche und Ideale waren immer schon beeinflusst von dem gerade vorherrschenden Wertesystem. Und unser Verhalten von Werbung und Medien beeinflusst. Neu ist, dass uns Algorithmen noch präziser und effizienter lenken können. Die Macht von Google, Facebook und Co. ist in dieser Hinsicht grenzenlos und bietet sowohl Gefahren als auch Chancen. Dass unser Leben von Maschinen gelenkt wird, ist keine Zukunftsvision mehr, sondern längst Realität. Wir alle, die wir täglich googeln, sind ein Teil dieser Maschine. Ist das so schlimm? Ich weiss es nicht. Gruselig ist es auf jeden Fall. Aber die Dampfmaschine war damals bestimmt auch nicht allen geheuer.


Anita Blumer,
22.4.2018, 117. Jahrgang, Nr. 112.

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