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«Wandzeitung» vom 18.3.2018:

Die Kinder, sie kommen. Teil 3/3:

Baby ohne Ankündigung.

„Wenn eine Frau ihre Schwangerschaft (SS) nicht wahrhaben kann, findet sie auch Wege, alle Anzeichen umzudeuten", erklärt der Berliner Frauenarzt und Psychotherapeut Peter Rott. Es gebe Fälle, wo selbst der Gynäkologe die Schwangerschaft übersehen hat, weil er keinen Ultraschall gemacht hat. Und mein Frauenarzt, Niklaus Deseö, meint treffend: „Es ist eine Verkettung von Umständen, die so weit führen kann.“ Erwischen kann es jedes Alter, alle Ausbildungs- und Berufsgruppen, jeder Familienstand, Gesundheitszustand und soziale Hintergrund. Oft ist es auch nicht das 1. oder 2. Kind. Auffällig ist, dass die meisten verdrängten SS in Beziehungen mit festem Sexualpartner vorkommen. Auslöser für eine derartige „Wahrnehmungsstörung“ sind zwischenmenschliche und/oder lebenstechnische Probleme.

Verdrängung ist definiert als unbewusster psychologischer Prozess, bei dem eine Wahrnehmung oder eine bestehende Tatsache ignoriert oder nicht anerkannt wird, um Angst oder Leiden zu vermeiden. Das Nichtwahrnehmen einer bestehenden SS und die mangelnde Anpassung der Lebensweise ist eine vertiefte Erscheinungsform von Verdrängung. Sexuelle und Geschlechtsidentitätsstörungen nehmen Bezug auf das sexuelle Erleben und Verhalten, welche eine SS als eine „Krankheit“ ansehen können. Sie leiden aus verschiedensten Gründen daran, was wiederum zu einer Belastung in zwischenmenschlichen Beziehungen führen kann.

Brezinka et al, weist 1994 auf einen fliessenden Übergang zwischen bewussten Bewältigungsstrategien und unbewussten Abwehrmechanismen hin. Es sei ein schmaler Grat. Die Verdrängung könne aber auch als Mittel zur unbewussten Abwehr von Gewaltphantasien gegenüber dem Ungeborenen gesehen werden, warnt Bonnet, 1993. Ein möglicher Hintergrund seien früher erlittene psychische und/oder sexuelle Kindheitstraumata. In einer Studie mit 25 Frauen wurden vier davon daheim, ohne Beisein von Hebamme oder Arzt, von der Geburt überrascht. Glücklicherweise gab es keine Komplikationen.

Wille & Beier stellten 1994 einen Katalog zusammen, der eine Schwangerschaftsverdrängung aufdeckt. Folgende Kriterien werden erfüllt: Subjektive Gewissheit, nicht schwanger zu sein; Fehlen von Anzeichen oder Umdeutung von Symptomen; „naiver“ Arztbesuch wegen Rückenschmerzen, etc.; Unbefangenheit in sozialen Situationen (z.B. Schwimmbadbesuch); unverändertes Sexualverhalten in Art und Häufigkeit (inkl. Verhütung); kein Gedanke an SS-Abbruch; keine Geburtsvorbereitungen; verkennen einsetzender Wehen und Überraschtwerden von der Geburt. Über die Babys und ihre Entwicklung danach, habe ich leider kein Material gefunden. Nur, dass sie gewöhnlich gut ausgebildet zur Welt kommen. Und meistens bei den Müttern bleiben.

Unbelegbar ist die Aussage vieler Mütter, sie hätten regelmässig ihre Tage gehabt. Biologisch scheint das gar nicht möglich. Dringend nötig wäre jedenfalls, dass Ärzte und Spitäler bei Fällen diffuser Symptome einen Schwangerschaftstest, resp. Ultraschall erwägen. Und das die betroffenen Familien nach so einem Ereignis feinfühlig begleitet werden.

 


Momo Appenzeller,
18.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 77.

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