Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 8.12.2015:

Lichterketten schmücken die Strasse:

Leise rieselt der Schnee.

Seit Tagen werden wir mit Weihnachtsmusik berieselt. Lichterketten schmücken die Strassen und sorgen dafür, dass wir die Dunkelheit mögen und uns auf die Adventszeit freuen. Glühwein wärmt Hände und Bauch. Zuhause werden Spitzbuben, Chräbeli und Zimtsternen gebacken. Ich finde die Vorweihnachtszeit eine schöne Zeit. Ich mag es im Schneegestöber nach Hause zu laufen, die Nase kalt, die Bäckchen rosa. Die klirrende Kälte muss daran schuld sein, dass ich dann auf ganz komische Gedanken komme. Dann wenn die Stadt schläft und der Schnee sie in Stille und Unverwundbarkeit einhüllt. Dann vergesse ich, wie es wirklich ist und stelle mir vor, die Welt sei still und unverwundbar. Sie sei lieb zu sich und den anderen. Sie sei nicht krank vor Sorge, sie morde nicht im Namen eines Gottes. Sie sei nicht grausam, hart, blutig. Doch halt, es ist nicht die Welt, die so ist. Es sind die Menschen. Wir. Ganz alleine wir sind so wie wir sind. Oder sind es die anderen? Die Barbaren, die an einem Freitagabend sich das Recht nehmen das pulsierende Leben auszulöschen. Päng, Päng. Boom. Die Barbaren, die eine Religion missbrauchen, Angst und Hass schüren. Die Barbaren, die keine Menschen sind. Für einen Moment dachte ich, die Welt sei still und unverwundbar.

Eine Sirene holt mich in die Realität zurück. Schnee, viel Schnee fällt. Schnee und Stille und Erinnerungen an früher werden wach. In Katalonien, wo ich aufgewachsen bin, gibt es einen lustigen Brauch der sich Caga Tió nennt. Auf Deutsch: der scheissende Onkel. Nett und sehr katalanisch. Der Caga Tió ist ein Holzstück, welches mit einer Barretina (rote, katalanische Mütze) und vier Beinchen bestückt ist. Da steht er nun. Stolz, obwohl was ihm blüht brutal ist. Das katalanische Kind soll nämlich auf den zugedeckten Caga Tió voller Elan hauen. Hauen, klopfen in katalanischer Manier und schon offenbart der Tió seine Ware. Keine Scheisse, sondern Geschenke. Wunderbar, nicht wahr? Der Katalane lässt sich nicht lumpen, oh nein. Caga Tió zu Weihnachten und am 6. Januar klopfen die Heiligen Dreikönige an die Tür und verteilen nebst Kohle und Myrrhe noch mehr Geschenke. Majestätisch ist der Auftritt der drei alten Herren, die mit Bärten geschmückt und dunkler Farbe gefärbt sind. Sugus und andere Süssigkeiten werden während der Cavalgata, dem Umzug, verteilt. Nein geworfen. Rette sich wer kann. Von den Süssigkeiten, von den Barbaren. Schnee und Stille und die 2. Adventskerze spenden Trost und Hoffnung.


Oriana Ziegler-Somarriba,
8.12.2015, 114. Jahrgang, Nr. 342.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.