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«Wandzeitung» vom 24.8.2016:

Der erste Schritt in eine realistische Zukunft:

Übers Erwachsenwerden.

Als ich klein war, wollte ich Prinzessin werden. Und dann Lehrerin. Dann Tierärztin. Sängerin, Fotografin, Millionärin. Mit 14 entschied ich mich dazu, dass KV zu machen. Alle früheren Berufswünsche erwiesen sich als unmöglich oder unpassend. Ich wollte nicht Tiere operieren, ich wollte sie nur kuscheln. Singen konnte ich mehr schlecht als recht unter der Dusche und niemals auf einer riesigen Bühne. Und Millionärin ... nun ja, man muss wohl doch arbeiten (oder reich heiraten!), um ans Geld zu kommen.

Also habe ich damals den ersten Schritt in eine realistische Zukunft gemacht und meine Lehre zur Kauffrau begonnen. Und nun, drei Jahre später, ist die Lehre erfolgreich abgeschlossen und ich bin ins Berufsleben gestartet. Die Träume der Jugend – dass man während der Lehre ja endlich viel Geld zur Verfügung hätte und dann erst als Vollzeit-Arbeitende! – sind lange zerplatzt. Die bittere Realität des Zahlens von Rechnungen und Abgebens von Geld für den Haushalt hat mich schnell eingeholt. Und erst das Ausfüllen der Steuererklärung! Ja, das Erwachsensein ist nicht so, wie man es sich als Kind gewünscht hat. Die unendliche Freiheit bleibt einem verweigert, denn dazu braucht man Geld und, nicht zu vergessen, Zeit. Das erhoffte «ich kann machen, was ich will», entpuppte sich als eine Lüge, da man montags bis freitags im Büro sitzt und sich am Wochenende vielleicht noch einigen sozialen Aktivitäten widmet.

Denken Sie aber nicht, ich schätze das Erwachsensein nicht, denn das tue ich. Jetzt als Mitarbeiterin in einem Betrieb muss ich nicht mehr ständig auf Prüfungen büffeln und Hausaufgaben erledigen. Ich habe mehr Geld zur freien Verfügung, als ich jemals Taschengeld hatte und ich habe die Möglichkeit, mich weiterzubilden, um das zu erreichen, was ich will. Auch mit der Freizeit sieht es nicht schlecht aus, nach Feierabend kann ich mich beschäftigen, wie ich möchte und das Wochenende habe ich stets garantiert frei.

Also selbst wenn meine Kindheitsträume sich in Luft aufgelöst haben, bin ich froh, dort zu sein, wo ich bin. Es war nicht einfach, der Sprung von der Lehre ins Leben einer vollwertigen Mitarbeiterin und es werden noch viele Herausforderungen folgen, da bin ich sicher, aber der Grundbaustein ist gelegt. Nach dem ganzen Stress mit den Abschlussprüfungen und der Stellensuche ist es auch einfach entspannend, einfach «nur» arbeiten zu gehen, auch wenn das anstrengend sein kann.

Selbstverständlich wünsche auch ich mich hie und da in die Kindergarten-Zeit zurück, als man jeden Tag spielen konnte und Träume noch nicht von der Realität zerrissen worden waren. Jedoch ist stehenbleiben nicht die Lösung, geschweige denn möglich, denn die Zeit läuft und läuft. Und somit bleibt mir sowieso nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass ich älter werde und noch mehr Verantwortung und Herausforderungen auf mich zukommen werden. Als kleine Aufmunterung rede ich mir einfach ein, dass schon so viele Menschen vor mir den Prozess des Erwachsenwerdens überstanden haben. Dann kann es ja nicht so schwer sein.


Nicole Langhart,
24.8.2016, 115. Jahrgang, Nr. 237.

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