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«Wandzeitung» vom 9.1.2017:

EIN SATZ:

Tritratrollollo.

Der Mensch ist ein galaktischer Blindgänger. PETER RUDL.

Dafür kann er aber ganz schön knallen ... Dabei wollte ich gar nicht auf das um die aktuelle Zeit übliche Brauchtum des Abbrennens von Feuerwerk im Allgemeinen und zu weit von den Architektursünden weg im Besonderen zu sprechen kommen. Nur soviel: Eine Trockenheit, die ein landesweites Verbot einschliesslich angeblicher Sylvesterzaubereien zur Folge hätte, wäre an Eine-Welt-Afro-Pfingsten für nächstes Jahr erst noch herbeizutrommeln.

Ich will heute den Troll besprechen. Das Wesen ist in der literarisch mehr oder weniger wertvollen Fantasywelt negativ konnotiert. Nicht hingegen in der Märchenwelt Skandinaviens. Alles, was den Weichspülgang der Internetzcommunity stört, als Troll zu bezeichnen, ist also falsch. Zumal das übereifrig Korrekte vieler BeiträgerInnen geradezu zum Widerspruch reizt, mithin zwingend nach etwas Pfeffer in die Mühlen gegenseitiger Beweihräucherung schreit.

Kulminationspunkt auch in der Adventszeit nicht erträglichen Betschwesterntums ist die von Apple in Cupertino – die Stadt ist übrigens nach einem offenbar besonders dummen Franziskanermönch benannt – meinem Handy einprogrammierte Seuche, dass die Sprachsteuerung sich weitschweifig entschuldigt, wenn sie mich nicht verstanden hat. Also nicht etwa «wiederholen» hebt das Maschinchen diskret zu sprechen an, nein es trötet in Wald, Flur und auf den Perron: «Entschuldigung, Adrian, ich habe Sie nicht verstanden.» Die Entschuldigung ist unnötig, es handelt sich um eine Maschine, deren Algorithmus ein Ablaufproblem hat. Ebenso unnötig ist es, dass mich das Ding siezt und gleichzeitig den Vornamen verwendet, eine typisch angelsächsische Krankheit, die in helvetischen Gefilden nichts zu suchen hat. In Angelsachsen sollten wir uns nicht übrigens nicht täuschen lassen: «you» bedeutet in einem solchen Fall gerade nicht «du».

So etwas könnte, so ich denn einen hätte, den Troll in mir durchstarten lassen, der im besten Fall zur verbalen Pfeffermühle greift, im schlechteren die Sau des Niedermachens durch das halbe kleine Internetz, das wir alle gut kennen, treibt. Stattdessen deaktiviere ich bloss die Sprachsteuerung, nicht ohne etwas vor mich hin geflucht zu haben. Allenfalls ziemlich laut.

Doch wenden wir uns weiteren Trollen zu: Sie bevölkern nicht nur das kleine Internetz, das wir alle gut kennen, sie sind überall. Sie spucken vor mir auf den Gehsteig, drängeln vor mir in die Bahn, schnappen sich das letzte Brot, zerdeppern Flaschen vor meiner Tür, kotzen ins Treppenhaus. Schlimmer aber, und das lässt alle meine Zornesadern gleichzeitig schwellen. Sie kontaminieren meinen Dialog, unterbrechen meinen Gedankengang, haben eine diametral andere Meinung oder gar keine und stimmen und wählen falsch, wenn sie überhaupt wählen gehen. So etwas geht gar nicht. Einzige Notwehr, die mir als gewöhnlich Sterblichem gegen den Troll bleibt, ist die Abweichung: Ich tue genau das andere, ich vertrete dezidiert eine abweichende Meinung – was bekanntlich nicht schwer ist – und ich denke quer – was nicht nur nicht schwer ist, sondern geradezu unabdinglich. Einzige Schwierigkeit dabei ist herauszufinden, wer denn nun der Troll ist und wer nicht.


Adrian Ramsauer,
9.1.2017, 116. Jahrgang, Nr. 9.

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