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«Wandzeitung» vom 14.4.2018:

Der Zufall könnte der Garant für Demokratie werden:

Zufallswahlen.

„Gehen Sie wählen“ habe ich in meinem Wandzeitungsartikel Mitte Februar geschrieben. Und ich war fest davon überzeugt, dass das politische System in der Schweiz das beste und gerechteste aller Systeme ist und es deshalb wichtig ist, dass Menschen aktiv an Wahlen teilnehmen.

Und plötzlich hat dieses „Gehen Sie wählen“ einen etwas unguten Beigeschmack und meine Überzeugung einen kleinen Riss erhalten. Facebook hat in verschiedenen Ländern auf nicht geklärte Art und Weise Einfluss auf Wahlen genommen, indem es Wählerinnen und Wähler aufforderte: Gehen Sie wählen. Auf den ersten Blick eigentlich eine gute Sache. Aber nicht alle Wählerinnen und Wähler erhielten diese Aufforderung, sondern nur ein Teil davon und nicht alle gleichzeitig, sondern zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Und dies nicht in Ländern, bei denen Wahlmanipulationen zum Alltag gehören, sondern beispielsweise auch in Deutschland.

Die Schweiz scheint bisher nicht zum Zielgebiet von Facebook gehört zu haben, dass es früher oder später zu einer solchen Einflussnahme auch bei uns kommen wird, ist jedem klar. Und dass die Einflussnahme wirkt, ist ebenfalls nachgewiesen.

Beim Gedanken, dass weltweit über Social Media Plattformen Wahlen beeinflusst werden, wird es wohl nicht nur mir ziemlich mulmig. Facebook selbst begründet die Uneinheitlichkeit bei der Aufforderung mit den Einstellungen der einzelnen User. Was aber wenn die Aufforderungen vielmehr mit Dingen, die man liked oder kommentiert zu tun hat? Für einen solchen Gedanken muss man keine Vorlieben für Verschwörungstheorien haben.

Konkret bedeutet es, dass künftig möglicherweise Leute mit einem Facebook Profil je nach technischen Einstellungen, Vorlieben, Profilen oder Verknüpfungen mit andern aufgefordert werden zu wählen oder abzustimmen. Und dass Wahl- oder Abstimmungsergebnisse, wenn vielleicht auch nicht bestimmt, so doch wesentlich dadurch beeinflusst werden. Vielleicht müssen wir angesichts der digitalen Entwicklung Demokratie, auch die bewährten schweizerischen demokratischen Prozesse, neu denken. So wie es die Bürgerbewegung Passerelle in Biel macht, die das Ziel verfolgt, die Wahl von Parlamentarierinnen und Parlamentariern per Los zu vollziehen und damit eine gerechtere Verteilung des Stimmvolks zu erreichen.

Die Bürgerbewegung begründet die Idee damit, dass die Vertreterinnen und Vertreter in den politischen Gremien die Vielfalt in der Bevölkerung schlecht abdecken und sich viele Leute durch die Parteipolitikerinnen und -politiker ungenügend repräsentiert fühlen. Ein Losverfahren, vielleicht auch nur eines Teils der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, hätte aber auch den Vorteil, dass die Gefahr der undurchsichtigen Beeinflussung durch Facebook und andere soziale Netzwerke deutlich geringer wäre.

Der Zufall wäre dann der Garant für Demokratie.

 


Regula Keller,
14.4.2018, 117. Jahrgang, Nr. 104.

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