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«Wandzeitung» vom 29.3.2018:

Niemand musste dafür sterben, niemand wurde geboren:

Wir schreiben das Jahr 1 n. NB.

Konkret blieb ausdrücklich alles beim Alten – trotzdem ist vieles neu. Die Stunde Null am 4. März, als die Abstimmungsresultate bekannt waren, bezeichnet einen Wandel im Verständnis von Politik, von Demokratie, ja von den Pfeilern, die das Grundgerüst der Schweiz ausmachen. Die NoBillag-Initiative wurde abgelehnt – zurecht. Es war eine wenig ausgeklügelte Initiative. Das Stimmvolk ist vernünftig und zuverlässig. Warum also mit einer neuen Jahreszählung beginnen, wenn ja alles beim Alten bleibt? Die Initiative hat klar die Schwachstellen der Demokratie aufgedeckt. Die Angriffe auf die Vertreter des Initiativkomitees – klar glänzten diese oftmals nicht mit Sympathie und Souveränität – zielten stets darauf, dass die «Pfeiler der Demokratie» angegriffen würden. Doch sind wir ehrlich, wenn wir das hysterische Gefasel mal beiseite lassen und uns die Fakten anschauen, dann sehen wir, dass die Schweiz auch vor der SRG existiert hat, dass wir davor nicht wie Neandertaler in Höhlen wohnten und dass wir seit der Gründung der SRG kein explosives Wachstum der Stimmbeteiligung beobachten konnten. Eigentlich ist es das, was die Gegner der Initiative immer wieder beackerten: Die politische Bildung und Information, die bei einem Wegfall der SRG inexistent würde. Sprich, wir top informierten Schweizer Bürger müssten nach dieser Logik heute ja in Scharen an die Urnen strömen, weil wir so gut informiert sind! Dem ist nicht so. Und es ist wohl auch hinfällig zu erwähnen, dass trotz der SRG die politische Bildung immer weiter abnimmt. Jene Generation, die es abzuholen gälte, wird vom politischen Programm der SRG nicht angesprochen. Die Schwachstellen der Demokratie sind es, dass heute nicht mehr das grosse Ganze betrachtet, sondern nur noch einmal kurz die Abstimmungsarena geschaut wird. Dass mit Angst und mit Emotionen gearbeitet wird, wodurch rationale Überlegungen in den Hintergrund gerückt werden. Vor allem bei politisch schlecht gebildetem Publikum. Kam von der SP einmal ein Zugeständnis, dass der Betrag für Familien, die das Angebot nicht nutzen, eine Belastung sein könnte? Kam von der FDP ein offizielles Statement, dass der Slogan «Mehr Freiheit. Weniger Staat.» nun nicht mehr genau genommen würde? Nein! Unsere Parteien sind wie Windfahnen dem Sturm der Entrüstung gefolgt. Klar, es war eine schlechte Initiative, eine plumpe Idee. Aber das Staatsfernsehen dazu zu missbrauchen, es zu schützen ohne Rücksicht auf die eigene Wählerschaft zeigt, wie fragil unsere Demokratie sein kann, wenn es um die eigene Sendezeit geht. Was also tun? Alles abschaffen und auf die privaten Medien hoffen? Nein. Aber! Deshalb beginne ich heute mit meiner neuen Jahreszählung nach NB, ein Wandel ist notwendig. Das Jahr 1 soll den Wendepunkt markieren, an dem Politiker, Parteien und die SRG gemerkt haben, dass die Federn nicht nur aus Trotz, sondern aus Notwendigkeit gerupft wurden. Es hätten gerne noch ein paar mehr sein können, damit die Motivation für ein neues Federkleid umso grösser ist. Ein neues Federkleid, dass neutral und vor allem generationenübergreifend ein Ziel hat: Information. Nicht Unterhaltung, nicht Aufklärung, nicht immer mehr und nicht immer breiter, sondern einfach Information. Darauf hoffe ich spätestens im Jahr 5 n. NB.

 


Gioia Porlezza,
29.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 88.

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