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«Wandzeitung» vom 15.12.2017:

Frauen mixen die trostlosen russischen Präsidentschaftswahlen auf:

Gegen die männliche Langeweile.

Bis vor kurzem riefen die russsichen Präsidentschaftswahlen 2018 ein laues Gähnen hervor. Wieder sollte alles nach demselben Schema von 2012 ablaufen: Allen voran Putin und im Schlepptau seine Pappkameraden aus der so genannten "System-Opposition", deren Anpassungsfähigkeit sich bereits jahrzehntelang bewährt. Und weit dahinter die hoffnunslos zersplitterte Opposition.

Die einzige neue Erscheinung in der Opposition wäre der populäre Blogger und Gründer des Antikorruptionsfonds Alexei Nawalny, doch der darf wegen seiner Verurteilung in einem fadenscheinigen Betrugsverfahren nicht teilnehmen. Aber auch er ist ein Mann.

Doch im September wurde die männliche Phalanx durchbrochen – den Anfang machte die unbekannte Unternehmerin Elvira Agurbasch, die als Vizepräsidentin eines Wurstwarenunternehmens paradoxerweise für die "Allianz der Grünen" auftritt. Sie wird ebenso wenig in Erscheinung treten wie die Vorsitzende des nationalen Elternkomitees Irina Volynez von der "Volkspartei".

Mit einem Knall stieg Ende Oktober eine Frau in den Ring, mit der bisher niemand gerechnet hatte: Xenia Sobtschak. Die russische Gesellschaft war geschockt – erstens durch den Einstieg dieser glamourösen Frau in die Politik. Ihr verstorbener Vater Anatoli Sobtschak wird als erster Bürgermeister von St. Petersburg und damaligen Vorgesetzten Wladimir Putins im ganzen Land verehrt. Doch seine Tochter erarbeitete sich im Showgeschäft, unter anderem als Moderatorin von "Dom2", der russischen "Big Brother"-Ausgabe, einen zweifelhaften Ruf.

Zweitens durch ihr Wahlprogramm: "Gegen alle". Sobtschak rief die abgeschaffte Option für WählerInnen in Erinnerung, auf dem Stimmzettel sämtliche KandidatInnen zurückzuweisen. Sie bietet jenen eine Alternative, welche von der veralteten Garde genug haben und trotzdem wählen wollen.

Als gewandte Journalistin des TV-Senders "Doschd" geht sie frontal gegen den Kreml-Mainstream an und wirkt überzeugend als Oppositionskandidatin. Umgekehrt behaupten böse Stimmen, die Verbindungen zu Putin seien bis heute intakt und ihr Auftritt sei ein mit dem Kreml abgesprochenes Manöver, um die Opposition zu spalten und die Wahlen zu legitimieren.

Nicht minder umstritten ist die Journalistin, Bürgerrechtlerin und Juristin Jekaterina Gordon, die ebenfalls im Oktober ihre Kandidatur bekannt gab. Ihre Biografie liest sich wie ein Abenteuerroman, und ihr Haar ist pikanterweise ebenso blond wie jenes von Sobtschak.

Schon hagelt es Hohn und Kritik an den "Salon-Löwinnen" – in erster aus den eigenen weiblichen Reihen. Bei einem Wahlkampf, dessen Endergebnis sowieso schon feststeht, ist es schwierig zu sagen, welche Rolle diese Kandidatinnen spielen werden.

Sobtschak und Gordon sind überraschend unabhängig und besitzen Zugang zum Medienpublikum. Es besteht kein Zweifel, dass sie heisse Frauenthemen ansprechen werden, wie zum Beispiel die Abtreibung, deren Verbot von der Kirche gefordert wird. Mag auch die Mehrheit der RussInnen das patriarchale Gesellschaftsbild unterstützen – der Auftritt der beiden Blondinen bietet auf jeden Fall ein Vorbild für andere Frauen, sich in der Politik zu engagieren.


Eugen von Arb,
15.12.2017, 116. Jahrgang, Nr. 349.

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