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«Wandzeitung» vom 5.6.2016:

Halle 53 darf ein lebendiges Museum sein:

Ausatmen wäre der Tod.

Leben, jede Materie wird im Dunkeln erzeugt. Kommt das Leben ans Licht, beginnt es zu atmen. Leben und Licht sind unsichtbar. Wäre das Licht sichtbar, könnten wir einander nicht sehen. Als Newton glaubte, das weisse Licht setze sich aus Farben zusammen, hat er eher mit der Dunkelheit gespielt als mit dem Licht experimentiert. Ein Lichtspalt besteht aus zwei Kanten. Wie entstehen also Farben? Durch ein Prisma wird eine Dunkel-Hell-Kante betrachtet. Sie zieht Dunkelheit über die Helligkeit respektive Helligkeit über die Dunkelheit. Dadurch entstehen die Farben. Farben sind die Gedanken der Aussenwelt. Sie erregen bei uns Gefühle. Dunkel vor Hell ergibt Gelb, Orange und Rot. Hell vor Dunkel ergibt die Blautöne. So können wir am Himmelszelt die Sterne lesen: Der blaue Saturn ist alt und am Sterben; der rote Mars lebt und leuchtet; die Venus ist gelb, weil sie noch jugendlicher als der Mars ist. Wie es mit der Erde steht? Das wissen wir nicht so genau, doch können auch unsere Gedanken mit den Farben der Erde kommunizieren. Wir spüren die Erde beim Einatmen. Als Nebenprodukt entscheiden wir. Ja, das Nebenprodukt des Spürens sind die Entscheidungen. Wir spüren immer beim Einatmen. Beim Ausatmen denken wir. Als Nebenprodukt erkennen wir. Erkenntnis ist das Nebenprodukt des Denkens. Argumentieren übrigens ist das Nebenprodukt des Fühlens; und Führen dasjenige des Atmens. Wir führen durch Einatmen und Ausatmen. Wenn wir jedoch beim Ausatmen entscheiden, machen wir etwas falsch. Wir entscheiden, was wir denken, und kommen nie zur Erkenntnis, dass das, was wir entschieden haben, auf der sterblichen Seite liegt. Wir spüren unsere Entscheidung nicht. Entsprechend fragwürdig und gefühllos folgt die Argumentation. Wir führen uns selbst und andere, auch die Erde in den Tod, ohne je das Wesentliche erkannt zu haben. Würde die Erde passiv um die Sonne drehen, gäbe es sie schon lange nicht mehr. Sie stirbt 365 Mal im Jahr und muss ebenso viele Male vom Atemzug des Geistes erneuert werden. Der Mensch stirbt 25 900 Mal im Tag, das sind seine Atemzüge, ebenso viele bis seine Eiweisse neu gebildet werden. Denkt Winterthur aus Spargründen oder «angemessener Rendite» die Giesserei als Halle 53 (die letzte der verbliebenen Zeitzeugen unserer industriellen Stadtrevolution) nicht den Institutionen der Industriekultur in Winterthur zur Verfügung zu stellen (oder ihnen im Baurecht zu übergeben), entscheidet die Regierung über ihren eigenen Tod, weil sie nicht spürt, das Aufblühen der Stadt durch unsere Zeitzeugen gebührend zu ehren. Der Entscheid wäre im Moment des Ausatmens getroffen, was einer denkerischen Fehlleistung entspricht, die nicht erkennt, im falschen Moment des Atmens entschieden zu haben. «Schau nie einem geschenkten Gaul ins Maul.» Wir können nicht denkend entscheiden. Wir können nur denkend erkennen (und dann auch führen), was wir gespürt und entschieden haben. Halle 53 wurde der Stadt von Implenia «geschenkt». Sie gäbe Licht und Leben in unsere Stadt. Denn wo Sichtbares durch Zeitzeugen entsteht, ist immer auch das unsichtbare Licht und Leben da.


Heiner Dübi,
5.6.2016, 115. Jahrgang, Nr. 157.

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