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«Wandzeitung» vom 29.3.2017:

Zum Umgang mit alternativen Fakten:

Nach wie vor: Selber denken!

Die Ausdrücke «fake news» und «alternative facts» haben es in den letzten Monaten weit nach oben in die Hitliste der politischen Begriffe geschafft. Dabei sind sie zu unterscheiden: Bei fake news ist der Autor (nach Hannah Steinharter) selbst von Anfang an davon überzeugt, dass es sich um eine Lüge handelt. Bei alternative facts hingegen kann der Autor an das glauben, was er sagt oder der alternative Fakt hat wenigstens einen minimalen Anknüpfungspunkt in der Realität. Fake news und Lügen sind uns im persönlichen und im öffentlichen Leben vertraut. Nichts Neues also. Betroffen machen mich mehr die alternativen Fakten. Nicht das auch sie inhaltlich etwas grundlegend Neues wären: Man glaubt, was man glauben will. Oder man ist davon überzeugt, dass die eigene Meinung der Wahrheit entspricht. Oder man nimmt es einfach nicht so genau … Beunruhigend wird es aber, wenn wir in der Öffentlichkeit immer mehr solchen alternativen Fakten begegnen.

Was heisst das für unsere demokratische Gesellschaft, für uns als Bürger? Zum einen wird es immer schwieriger, sicher sein zu können, dass eine behauptete Tatsache wahr oder falsch ist. Zum anderen erleben wir heutzutage in den öffentlichen Diskussionen immer mehr Personen, die ganz ungeniert ihre Vorurteile, ihr Halbwissen und ihre Ignoranz zum Ausdruck bringen. Und dabei trotzdem oder gerade deswegen Erfolg haben.

Was können wir gegen diese Entwicklung tun? Zwei Philosophen könnten uns den richtigen Weg zeigen. Zunächst Immanuel Kant. Für ihn war die entscheidende Idee der Aufklärung die Idee der Selbstbefreiung durch das Wissen. Seine berühmte Antwort auf die Frage: «Was ist Aufklärung?» lautete: «Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschliessung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!» Diese Aufforderung könnte nicht aktueller sein.

Und dann der Philosoph Karl R. Popper. Er nennt drei ethische Prinzipien, die bei jeder Diskussion im Dienste der Wahrheitssuche zu beachten seien: 1. Das Prinzip der Fehlbarkeit. Vielleicht habe ich unrecht, und vielleicht hast du recht. Aber wir können auch beide unrecht haben. 2. Das Prinzip der vernünftigen Diskussion: Wir wollen versuchen, möglichst unpersönlich unsere Gründe für und wider eine bestimmte, kritisierbare Theorie abzuwägen. 3. Das Prinzip der Annäherung an die Wahrheit. Durch eine sachliche Diskussion kommen wir fast immer der Wahrheit näher, und wir kommen zu einem besseren Verständnis. Auch dann, wenn wir nicht zu einer Einigung kommen. Die Anwendung dieser Prinzipien verlangt Toleranz, Geduld und die Fähigkeit, andere Meinungen als gleichberechtigt zu anerkennen. Wir sollten diese Eigenschaften vermehrt einfordern.

Gefordert ist aber vor allem Eines: Selber zu versuchen, klar und bewusst zu denken und im eigenen Diskussionsumfeld der Wahrheit ein Stück näher zu kommen.


Marcel Riesen-Kupper,
29.3.2017, 116. Jahrgang, Nr. 88.

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