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«Wandzeitung» vom 14.5.2018:

Dem Überwachungsgesetz haben Stände- und Nationalrat zugestimmt:

Mich gruselt es ein bisschen.

Mich gruselt es ein bisschen. Zwei Geschäfte, die sich rund um das Thema Versicherungen und Versicherte drehen, stehen im Moment auf eidgenössischer Ebene zur Diskussion. Das eine ist das neue Versicherungsvertragsgesetz, über das die Wirtschaftskommission berät, das andere ist das Gesetz zur Überwachung von Versicherten bei Verdacht auf Missbrauch. Bei beiden Geschäften geht es um die Rechte von Versicherten: Beim Gesetz über die Überwachung darum, ob IV-Bezüger, Arbeitslose und Krankenversicherte bei Verdacht auf Missbrauch von den Versicherungen beziehungsweise von privat mandatierten Versicherungsdetektiven observiert werden dürfen. Beim Versicherungsvertragsgesetz dreht sich die Diskussion beim umstrittensten Punkt darum, ob Versicherungen die Vertragsbedingungen einseitig anpassen können. Dem Überwachungsgesetz haben Stände- und Nationalrat mit einer grossen Mehrheit zugestimmt. Beim Versicherungsvertragsgesetz zeichnet sich ab, dass die bürgerlichen Parteien das neue Gesetz und auch die Änderungen über die einseitige Anpassung der Vertragsbedingungen begrüssen. Mehr als 80% der rund 8 Millionen in der Schweiz Krankenversicherten verfügen über eine Form der Zusatzversicherung. 220 000 Menschen beziehen eine Invalidenrente, 184 000 Menschen erhalten Geld aus der Arbeitslosenversicherung, 80 000 eine Rente der SUVA. Vom Versicherungsvertragsgesetz sind also mehr oder weniger alle Einwohnerinnen und Einwohner betroffen, vom Überwachungsgesetz schätzungsweise 300 000 bis 400 000 Personen.

Dem gegenüber stehen rund 180 Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die mehr die Versicherungen als die Versicherten schützen wollen, 53 Krankenkassen sowie die Sozialversicherungen IV, Suva und Arbeitslosenkasse. Dass es gelingt, Gesetze zu Ungunsten von Versicherten im Parlament ohne weiteres durchzubringen, zeigt zwei Dinge: Die Versicherungen, namentlich der Schweizerische Versicherungsverband, stossen bei einem bedeutenden Teil der Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf offene Ohren. Bekannt sind 33 Ratsmitglieder, die für Versicherungen lobbyieren. Rund 30 Artikel wurden im Laufe der Beratung auf Anregung des Versicherungsverbandes zu Ungunsten der Versicherten abgeändert. Es zeigt auch, dass die andere Seite, die Versicherten und diejenigen, die sich für die Rechte der Versicherten einsetzen, offensichtlich über einen marginalen politischen Einfluss verfügen.

Ich neige weder dazu, an Verschwörungstheorien zu glauben noch bin ich dagegen, dass Versicherungen Geld verdienen oder Missbrauch von Sozialversicherungen als Straftatbestand geandet werden muss. Wenn ich aber sehe, wer sich alles für die Benachteiligung von Versicherten und praktisch grenzenlose, grundrechtswidrige Überwachungsmöglichkeiten einsetzt, bin ich entsetzt, fange an mir zu überlegen, wo welche Lobbyisten gemeinsam mit Volksvertreterinnen und Volksvertretern demnächst zuschlagen werden und es gruselt mich eben, eigentlich nicht einmal nur ein bisschen.


Regula Keller,
14.5.2018, 117. Jahrgang, Nr. 134.

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