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«Wandzeitung» vom 1.2.2015:

Pilsen ist europäische Kulturhauptstadt:

Industrie, Bier und Kultur.

Der Winterthurer Bürger und Hochseilakrobat David Dimitri hält sich trotz Regenwetter standhaft auf dem schrägen Hochseil und verfolgt sein Ziel, die 102 Meter hohe Kirchturmspitze der St. Bartholomäus-Kathedrale, langsam, konzentriert und konsequent. Die Balancierstange hilft ihm, das Gleichgewicht zu halten, und die Menge unter ihm, auf dem Platz der Republik, mitten in der Pilsener Altstadt, hält den Atem an. Währenddessen wird die Geschichte Pilsens an die Fassaden der umliegenden Häuser projieziert. Deutsche, russische und tschechische Beschriftungen von Ladenlokalen wechseln sich ab. Dazu die passende Geräuschkulisse, Musik, Gesang, Filmausschnitte und Bühnenshow. Ein riesiger, verrosteter und zusammengeflickter Koloss erinnert gleichsam an Maschinenbau und Marionettentheater.

Pilsen feiert den Titel «Europäische Kulturhauptstadt 2015» und nutzt diese Chance mit über 50 Shows und 600 Veranstaltungen verteilt über das ganze Jahr. Als Kulturhauptstadt steht dem noch jungen Tourismusverein eine Herkulesaufgabe bevor. Hunderttausende von Gästen werden erwartet, eine um ein mehrfaches gesteigerte Ausstrahlungskraft soll nachhaltig wirken und Pilsen als Wohn- und Wirtschaftsstandort fördern.

Es ist kein Zufall, dass der Hochseilakrobat aus Winterthur stammt. Denn Winterthur und Pilsen verbindet seit 1989 eine zeitweise intensive Städtepartnerschaft. Die Winterthurer Stadtverwaltung half der tschechischen Stadt auf dem Weg zu einer offenen und modernen Verwaltung. Und beide Städte haben einiges gemeinsam: Entwicklung einer grauen Industriestadt zu einer attraktiven und kreativen Kulturstadt, Maschinenbauzentrum, viele Museen, Theater, Hochschulen und eine eigene Biermarke.

Mit 170 000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Pilsen etwas grösser als Winterthur. Auch sportlich ist Pilsen eine Nasenlänge voraus: Die städtischen Clubs im Fussball, Eishockey und Handball spielen an der Spitze der tschechischen Ligen mit.

Die Nähe zu Prag ist für Pilsen kein Problem, es gibt keine geschichtlich belastenden Themen wie «Verpfändung» oder «Nationalbahn». Wichtigste Arbeitgeber in der Stadt und Region Pilsen sind – immer noch – der Skoda-Konzern, die Pilsener Urquell AG und der Spirituosenhersteller Stock Plzen-Bozkov.

Inzwischen ist Dimitri auf dem Kirchturm angekommen. Das Blues- und Rockkonzert beginnt. Die offizielle Gästeschar begibt sich ins neue Theater. Spannende Architektur, funktionales Inneres, bequeme Sitze, kurze Reden und ein bisschen Folklore. Eine würdige Feier.

Und dann ist noch die Sache mit dem Kamel. Die gibt es nicht im Pilsener Stadtwald. Aber im Pilsener Stadtwappen. Während des Krieges gegen die Hussiten im 15. Jahrhundert gelang es den Pilsenern, dem Gegner ein Kamel zu stehlen. Das Kamel war seinen Eigentümern so wichtig, dass sie es frei kaufen wollten. Die Pilsener indessen gaben es nicht mehr her und seither ziert es, zusammen mit anderen Symbolen und Darstellungen, das Stadtwappen. Da haben aus meiner Sicht zwei Löwen einen stärkeren Auftritt ...


Michael Künzle,
1.2.2015, 114. Jahrgang, Nr. 32.

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