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«Wandzeitung» vom 1.8.2015:

Miteinander:

Liebe Schweizerinnen und Schweizer.

Und wir feiern ihn wieder. Den 1. August, den Geburtstag der Eidgenossenschaft. Das politische Spektrum von links bis rechts ist sich wohl darin einig, dass man grundsätzlich mit Überzeugung sagen kann: «Ich bin stolz, Schweizerin oder Schweizer zu sein.» Es ist angenehm, in einem soliden und sicheren Staat zu leben, bei sehr tiefer Arbeitslosenquote, mit einem chancenreichen Bildungssystem, mit einem qualitativ hochstehenden und teuren Gesundheitssystem, mit einem bezahlbaren und vielfältigen Kulturangebot, mit einem hohen Lohnniveau, mit gut unterhaltener Infrastruktur, mit einem fast lückenlosen sozialen Netz etc. Es geht uns also grundsätzlich gut.

Und dennoch, der 1. August ist nicht nur dazu da, sich auf die Schultern zu klopfen und zu loben, was wir für ein tolles Land sind, was wir für schöne Berge und reines Wasser haben. Dieser alljährliche Geburtstag soll auch dazu verpflichten, die Schweiz immer wieder kritisch zu hinterfragen. Aktuelle Finanz-, Steuer- und Asylpolitik wären Themen, die es zu hinterfragen gilt. Aber ein gefährliches Thema für unsere Gesellschaft ist der fortschreitende Ego-Tripp der Individuen.

Individuelle Interessen stehen vermehrt über gesellschaftlichem Engagement. Einem Verein beizutreten, bedeutet eine zu grosse Bindung, auf die man sich nicht mehr einlassen will. So suchen beispielsweise die Sport- und Musikvereine verzweifelt nach Interessenten, die eine Mannschaft oder ein Musikkorps betreuen oder das Traineramt übernehmen. Betretenes auf den Boden schauen, wenn am Elternabend nach einem Einsitz im Elternrat gefragt wird. Sich an der politischen Diskussion beteiligen, heisst nach wenigen Sätzen: «Die machen da oben ohnehin, was sie wollen.» Die Abstimmungs- und Wahlbeteiligungen belegen dieses Desinteresse.

Stark ist eine Gesellschaft dann, wenn sich jeder und jede Einzelne an die sich selber gegebenen Regeln hält, sich solidarisch gegenseitig hilft und die Aufgaben und Lasten gemeinsam trägt. Wenn man nicht einfach fragt: «Was kann der Staat für mich tun? Was können andere für mich tun?», sondern: «Was kann ich dazu beitragen, dass es unserem Land, unserer Stadt gut geht?» – «Welches ist mein Beitrag, damit unsere Gesellschaft funktioniert?»

Wir brauchen Freiwillige, die sich für unsere Schweiz, für unsere Stadt einsetzen. Die die Kulturinstitutionen und Vereine ideell und finanziell unterstützen, die als Trainer eine Jugendmannschaft betreuen, die sich im Elternrat für eine lebendige Schule einsetzen, die sich im Parlament einer Gemeinde engagieren, die an Abstimmungs- und Wahlsonntagen an die Urnen gehen ...

Es gibt genügend Möglichkeiten, sich zu engagieren. Aber wir müssen es tun. Es gibt die natürlichen und juristischen Personen, die sich dieser Verantwortung bewusst sind und viel für unsere Gesellschaft tun. All denen: Herzlichen Dank. Aber wir brauchen noch mehr davon. Ich bin überzeugt, dass da noch viel Potenzial vorhanden ist und gehe deshalb freudig zurück zum Feiern: «Trittst im Morgenrot daher.»

 


Michael Künzle,
1.8.2015, 114. Jahrgang, Nr. 213.

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Standpunkte:

2.8.2015, 22:52 Uhr.

Michael Suter schrieb:

Danke Herr Künzle für diese «besinnlichen» Text. Wir haben viele Gründe auf Erreichtes in der Schweiz stolz zu sein. Aber vieles wurde nur erreicht, weil sich Menschen über ihre Eigeninteressen hinaus für die Allgemeinheit und in der Nachbarschaft einsetzen und verantwortungsvoll handeln.
Mein Nachbar ist in Folge eines schweren Unfalles 100% IV. Er ist glücklich darüber, dass wir funktionierende Versicherungssysteme haben und dass er anständig leben kann. Er verharrt jedoch nicht in der Erwartungshaltung, was der Staat und die Versicherungen für ihn tun können. Statt dessen engengiert er sich ehrenamtlich mit vielen Stunden pro Jahr, so weit ihm dies möglich ist. Dagegen habe ich zwei bis drei 100% arbeitsfähige Arbeitskollegen, die regelmässig ein paar Tage krank machen. Das ist das Gegenteil von Solidarität und verantwortungsvoll. Es ist ausserdem grenzenloser Egoismus und Versicherungsbetrug. Aber unter «ihresgleichen» gilt das Krankmachen als schlau, weil die Arbeitnehmer ja immer irgendwie ausgebeutet werden. Wir sollten uns bewusst sein, dass Solidarität und das Gegenteil davon, oft schon im Kleinen beginnt. Unsolidarisches Handeln ist auch wenn wir unseren Abfall im Park auf der Wiese liegen lassen, statt diesen im Kübel zu versorgen. Wer sich das Gemeindewesen und den Staat zum Feindbild macht, vergisst dass Gemeindewesen und auch der Staat Gefässe der Solidarität sind – für uns alle.


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