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«Wandzeitung» vom 1.4.2017:

Professionelle Exekutive und Milizparlament:

Pensionskasse als Herausforderung.

Ab und an wird den Exekutiven und der öffentlichen Verwaltung vorgeworfen, sie würden immer komplexere Themen vor die Parlamente und zur Volksabstimmung bringen, die niemand mehr nachvollziehen könne. Letztmals geschehen mit der Unternehmenssteuerreform III. Dies sei mit ein Grund für die tiefe Stimmbeteiligung. Der Winterthurer Stadtrat hat kürzlich die parlamentarische Aufsichtskommission und die Öffentlichkeit darüber informiert, dass er eine grössere Rückstellung auf Kosten des Eigenkapitals (unseres Ersparten) tätigen wolle, um die städtische Pensionskasse auszufinanzieren. Sofort reagierten die meisten politischen Fraktionen im Parlament und beschrieben gegenüber den Medien ihren Unmut. Der Stiftungsrat und der Stadtrat hätten ihre Aufgabe nicht gemacht, seien zu spät (die einen), handle übereilt (die anderen), so gehe es nicht, man dürfe die Steuerzahler nicht so schröpfen, besser würde man unsere Mitarbeitenden noch härter zur Kasse bitten. Im Stiftungsrat der selbständigen städtischen Pensionskasse Winterthur sitzen der Stadtpräsident und die Finanzministerin, Verwaltungskaderleute und Verwaltungsangestellte und Fachleute. Juristen, Ökonomen und Pensionskassenspezialisten, die auch in anderen Pensionskassen engagiert sind. Alle Pensionskassen stehen aufgrund der anhaltenden Tiefzinsphase, der steigenden Lebenserwartung und des sinkenden technischen Zinses vor den gleichen Herausforderungen. Der Stiftungsrat hat unter Beizug weiterer Experten in einem fast zweijährigen Prozess eine Lagebeurteilung vorgenommen, die Situation mit anderen Pensionskassen verglichen, Lösungsvarianten definiert, bewertet, gerechnet, diskutiert und sich für das jetzt vorgeschlagene Annuitätenmodell entschieden. Der Stadtrat hat sich mit Sondersitzungen in die Materie eingearbeitet und kam zum gleichen Schluss. Diese professionelle Arbeit von Fachleuten wird nun mit ein paar kurzen Worten disqualifiziert, obschon noch gar keine Weisung an den Grossen Gemeinderat vorliegt, dieser sich also mit der Materie noch gar nicht vertieft auseinandersetzen konnte. Politische Arbeit heisst Diskussion, Argumentation, Gegenargumentation, Auseinandersetzung, Diskurs. Aber vor allem heisst es zuerst: vertieftes Aktenstudium, sich mit der Materie auseinandersetzen, Fragen stellen. Der Grosse Gemeinderat ist sicherlich gut beraten, erneut eine Spezialkommission Pensionskasse zu bilden, wie es bei der Verselbständigungs- und Sanierungsvorlage schon einmal der Fall war und welche damals eine sehr gute Leistung zeigte.

Es geht um einen hohen Rückstellungs-Betrag. Die heftigen Reaktionen sind deshalb nachvollziehbar. Dennoch sollte nicht vorschnell geurteilt werden, zumal Experten sich bereits über einen längeren Zeitraum vertieft mit dem Thema befasst haben. Die Weisung an den Grossen Gemeinderat liegt noch gar nicht vor. Das Pensionskassengeschäft ist eine komplexe Materie. Es geht um viel Geld, um unsere Mitarbeitenden, um angeschlossene Arbeitgeber und deren Mitarbeitende und die Steuerzahlenden. Ich wünsche mir deshalb vom Parlament eine ernsthafte und verantwortungsvolle Einarbeitung, so dass man das Ergebnis nachher den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern möglichst deutlich erklären kann. Dann klappt’s auch mit einer höheren Stimmbeteiligung.


Michael Künzle,
1.4.2017, 116. Jahrgang, Nr. 91.

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