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«Wandzeitung» vom 1.11.2015:

Eine Kindergeschichte? Teil:

Tatze und Knopf.

Knopf war klein, sehr klein. Er lebte im Fell von Tatze, einem lieben Wolf mit gütigen blauen Augen. Knopf hatte in dem flauschigen Pelz ein sicheres, Zuhause gefunden. Er fühlte sich darin geborgen. Eigentlich gehörte Knopf zu einer Zwergenfamilie, die im Wipfel einer grossen alten Eiche wohnte. Aber als der Baum krank wurde, kamen die Menschen und fällten ihn. Mit grossem Getöse und Rauschen ging die gewaltige Eiche zu Boden. Knopf klammerte sich verzweifelt an der Rinde fest, aber er konnte sich nicht richtig festhalten und wurde weit weggeschleudert. Glücklicherweise landete er in einem buschigen Farn, der den Sturz aus der Höhe abfederte und Knopf überstand ihn unbeschadet. Leider hatte er aber seine Familie verloren. Er weinte und hatte Angst. Verzweifelt suchte er, aber er rief vergeblich. Irgendwann brach die Nacht herein, es war so dunkel, dass Knopf die Hand nicht mehr vor den Augen sah. Er war müde, hungrig und traurig. Blindlings lief er einfach geradeaus, bis er auf etwas Weiches trat. Vorsichtig machte er noch einen Schritt und er betrat einen kuscheligen Vorhang und geriet in eine warme Höhle, in der es angenehm duftete. Knopf war so erschöpft, dass er sich sogleich hinlegte und einschlief.

Am frühen Morgen wachte er durch das Zwitschern der Vögel und dem Knurren seines Magens auf. Verwundert rieb er sich die Augen. «Wo bin ich?», fragte er sich erstaunt. Er war umgeben von weiss-braun-schwarzen Haaren. Darum hatte er so bequem gelegen. Er grub sich ans Tageslicht hinaus. Sein Untergrund fing an zu beben und eine tiefe Stimme donnerte: «Wen habe ich da in meinem Pelz?» Die Stimme war freundlich, aber Knopf erschrak trotzdem. «Exgüsi», stammelte er. «Ich muss wohl versehentlich in Ihr Fell geraten sein, als ich in der Nacht umherirrte. Vor lauter Müdigkeit bin wohl eingeschlafen.» Er krabbelte über den Rücken des grossen Pelzdings und kletterte den Baum hoch auf einen Ast, der gleich darüber hing und an dem süss duftende Pflaumen baumelten. Er sah runter – auf einen Wolf.

«So, so!», brummte der. Knopf war erleichtert, fing an zu hüpfen und der Ast wippte mit. «Dann sind Sie mir nicht böse?», fragte er.

«Nein, so was kann passieren. Ich bin ja froh, dass du kein Floh bist, der mich ins Fleisch zwickt. Aber es wäre schön einen Freund zu haben. Ich bin recht einsam.» Knopf wurde richtig übermütig. Er hatte ein paar Fragen, denn er war ein aufgeweckter Knirps. Er knabberte an einer Pflaume und sagte mit vollem Mund: «Lebst du denn nicht in einem Rudel? Und wie heisst du eigentlich?» Er duzte ihn frech und wartete gespannt auf die Antwort. Der Wolf war etwas verlegen und sagte: «Eigentlich bin ich ein Einzelgänger. Ich jage auch viel lieber allein, wenn mir keiner reinschwatzt.»

«Ach so», sagte Knopf, leckte sich die Lippen und stemmt die Hände in die Hüften. «Und wie heisst du denn nun?» Der Wolf kam nicht mit, denn er hatte noch nie ein Gespräch geführt. «Wie meinst du das?» Er stellte sich dumm. «Na, hast du denn keinen Namen?» Knopf wollte das nicht glauben. Der Wolf senkte den Kopf und sagte: «Einfach Wolf. Bis jetzt hat das immer gereicht.»


Momo Appenzeller,
1.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 305.

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